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repräsentiert und 2. die Verknüpfung der Begebenheiten
nach einem subjektiven Zweck 9. Danach handelt es sich
also zunächst nur um eine Aufteilung des Gebietes der
historischen Methode, nicht aber um eine verschiedene hi-
storische Betrachtungsweise. Beide bilden vielmehr eine
Einheit und gehören gemeinsam zu der Tätigkeit des Hi-
storikers, der sowohl die Tatsachen festzustellen bezw. sie
nachzuprüfen, als auch sie nach einem leitenden Gesichts-
punkt zu verknüpfen hat. Die Tätigkeit des Chronisten der
mittelalterlichen Zeit beschränkt sich allerdings in der Haupt-
sache auf die Ausmittelung und Fixierung der Tatsachen.
Dieser Tätigkeit des Chronisten wird nun von Schelling mit
Recht eine hohe Bedeutung beigemessen und das Quellen-
studium von ihm angelegentlich empfohlen2), denn in den
von den Chronisten niedergelegten historischen Urteilen,
die wenigstens zum Teil auf unmittelbare Anschauung zurück-
gehen, beruht trotz aller Schwierigkeit, welche die Prüfung
ihres Wertes im einzelnen mit sich bringt, doch die einzig-
gesicherte Basis zum Aufbau der historischen Wissenschaft.
Für den Philosophen ist nach Schellings Meinung die Kenntnis
dieser Chroniken wohl nicht erforderlich, um den Gang des
historischen Prozesses in seinen allgemeinsten Zügen zu
entwerfen, aber er ist weit davon entfernt, ihre hohe Be-
deutung für die Geschichtswissenschaft zu verkennen.
Mit Recht bekämpft dagegen Schelling den Anspruch
der pragmatischen Geschichtsschreibung als die höchste Form
der historischen Darstellung zu gelten. Die Gesichtspunkte,
welche die pragmatische Geschichtsschreibung zum Zweck
dieser Wissenschaft erhebt, liegen ihrem ursprünglichen Wesen
durchaus fern, die Geschichte soll als Wissenschaft nicht
zum Instrument der moralischen Belehrung werden. Sie mag
wohl unter Umständen erziehen, erbauen, belehren können,
aber dieser Effekt, den sie bisweilen hervorrufen kann, darf
niemals mit ihrem Erkenntniszweck verwechselt werden.
Wenn die Geschichtsschreibung nach willkürlichen, subjektiven
Gesichtspunkten die Tatsachen ordnet, so hat sie ihr wahres
Ziel aus den Augen verloren.
Einen Mangel der pragmatischen Geschichtsschreibung
bedeutet es fernerhin, dass sie die Begebenheiten durch ihre
blosse Verknüpfung nach empirischer Notwendigkeit zu er-
klären sucht, während die referierende Geschichtsschreibung
auf alle Verknüpfung verzichtet und die Tatsachen in ihrer
Gegebenheit als zufällig hinstellt. Weder das eine noch das
andere Verfahren vermag dem Wesen der Geschichte ge-
recht zu werden. Indem Schelling die bloss empirische
1) a. a. O. S. 307.
2) a. a. O. S. 311.
repräsentiert und 2. die Verknüpfung der Begebenheiten
nach einem subjektiven Zweck 9. Danach handelt es sich
also zunächst nur um eine Aufteilung des Gebietes der
historischen Methode, nicht aber um eine verschiedene hi-
storische Betrachtungsweise. Beide bilden vielmehr eine
Einheit und gehören gemeinsam zu der Tätigkeit des Hi-
storikers, der sowohl die Tatsachen festzustellen bezw. sie
nachzuprüfen, als auch sie nach einem leitenden Gesichts-
punkt zu verknüpfen hat. Die Tätigkeit des Chronisten der
mittelalterlichen Zeit beschränkt sich allerdings in der Haupt-
sache auf die Ausmittelung und Fixierung der Tatsachen.
Dieser Tätigkeit des Chronisten wird nun von Schelling mit
Recht eine hohe Bedeutung beigemessen und das Quellen-
studium von ihm angelegentlich empfohlen2), denn in den
von den Chronisten niedergelegten historischen Urteilen,
die wenigstens zum Teil auf unmittelbare Anschauung zurück-
gehen, beruht trotz aller Schwierigkeit, welche die Prüfung
ihres Wertes im einzelnen mit sich bringt, doch die einzig-
gesicherte Basis zum Aufbau der historischen Wissenschaft.
Für den Philosophen ist nach Schellings Meinung die Kenntnis
dieser Chroniken wohl nicht erforderlich, um den Gang des
historischen Prozesses in seinen allgemeinsten Zügen zu
entwerfen, aber er ist weit davon entfernt, ihre hohe Be-
deutung für die Geschichtswissenschaft zu verkennen.
Mit Recht bekämpft dagegen Schelling den Anspruch
der pragmatischen Geschichtsschreibung als die höchste Form
der historischen Darstellung zu gelten. Die Gesichtspunkte,
welche die pragmatische Geschichtsschreibung zum Zweck
dieser Wissenschaft erhebt, liegen ihrem ursprünglichen Wesen
durchaus fern, die Geschichte soll als Wissenschaft nicht
zum Instrument der moralischen Belehrung werden. Sie mag
wohl unter Umständen erziehen, erbauen, belehren können,
aber dieser Effekt, den sie bisweilen hervorrufen kann, darf
niemals mit ihrem Erkenntniszweck verwechselt werden.
Wenn die Geschichtsschreibung nach willkürlichen, subjektiven
Gesichtspunkten die Tatsachen ordnet, so hat sie ihr wahres
Ziel aus den Augen verloren.
Einen Mangel der pragmatischen Geschichtsschreibung
bedeutet es fernerhin, dass sie die Begebenheiten durch ihre
blosse Verknüpfung nach empirischer Notwendigkeit zu er-
klären sucht, während die referierende Geschichtsschreibung
auf alle Verknüpfung verzichtet und die Tatsachen in ihrer
Gegebenheit als zufällig hinstellt. Weder das eine noch das
andere Verfahren vermag dem Wesen der Geschichte ge-
recht zu werden. Indem Schelling die bloss empirische
1) a. a. O. S. 307.
2) a. a. O. S. 311.