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Als Werte der Gemeinschaft sind etwa Staat und Kirche,
das Vernunftreich und jenes „Zumal der modernen Welt"
zu nennen, das die künstlerische Entwickelung abschliesst.
Sachlich betrachtet ist Schellings Wertungsweise universa-
listisch, denn das Objekt seiner Wertung ist in erster Linie
das Allgemeine bezw. Soziale, methodologisch betrachtet
trägt sie ein individualistisches Gepräge. Wenn Schelling
unter dem statistischen Gesichtspunkt immer nur die grossen
sozialen Verbände wie Kirche und Staat unter dem dyna-
mischen Gesichtspunkt das historische Ganze, weit weniger
aber die einzelnen historischen Individuen wertet, so ist seine
Wertungsweise in Ansehung ihres Objektes ohne Zweifel
universalistisch. Wenn aber diese Gebilde, die er wertet,
konkret inhaltlich gewertet werden und nicht rein formal,
als Werttotalitäten und nicht als Wertallgemeinheiten, oder
wenn der Wert der Einmaligkeit an ihnen haftend gedacht
wird, so verbindet sich der Universalismus hinsichtlich des
Gegenstandes mit einem Individualismus hinsichtlich der
Methode. Unter dem statischen Gesichtspunkt erscheinen
allerdings die Einheiten, aus denen sich das soziale Wert-
ganze zusammensetzt, so fest eingefügt und eingeordnet in
den allgemeinen Zusammenhang, so unauflöslich mit ihm ver-
knüpft, dass sie von ihm getrennt keinerlei Wert mehr zu
besitzen scheinen, und auch unter dem dynamischen Gesichts-
punkt borgt das historische Individuum, so etwa die „tragische
Epoche" des Griechentums, ihren Wertcharakter bis zu einem
gewissen Grade von dem historischen Ganzen, wenn auch
naturgemäss die Einordnung, wie sie hier vollzogen wird,
nicht annähernd so straff und fest ist, wie unter dem sta-
tischen Gesichtspunkt.
Die Werte des Sozialen, welche Schellings Geschichts-
philosophie aufweist, wie etwa die des Staates und der Kirche,
werden von ihm mit Vorliebe als Organismus, als Kunstwerk
oder auch als lebendiges organisches Kunstwerk bezeichnet1).
Ueber die Bedeutung dieses Begriffes wird am besten die
Weiterbildung des Staatsbegriffes Auskunft geben, welche
Schellings Geschichtsphilosophie in der von uns behandelten
Periode durchgemacht hat. Die Bildung des Staatsbegriffes
zu der für Schelling eigentümlichen Gestalt zerfällt in drei
Etappen, die durch drei philosophische Werke charakterisiert
sind, nämlich erstens durch das „System des transzendentalen
Idealismus", zweitens durch die „Methode des akademischen
Studiums" und drittens durch das „System der gesamten
Philosophie" (1804).
Der Staat, wie ihn das System des transzendentalen
1) a. a. 0. S. 293, 307, 312, 316, 434.
Als Werte der Gemeinschaft sind etwa Staat und Kirche,
das Vernunftreich und jenes „Zumal der modernen Welt"
zu nennen, das die künstlerische Entwickelung abschliesst.
Sachlich betrachtet ist Schellings Wertungsweise universa-
listisch, denn das Objekt seiner Wertung ist in erster Linie
das Allgemeine bezw. Soziale, methodologisch betrachtet
trägt sie ein individualistisches Gepräge. Wenn Schelling
unter dem statistischen Gesichtspunkt immer nur die grossen
sozialen Verbände wie Kirche und Staat unter dem dyna-
mischen Gesichtspunkt das historische Ganze, weit weniger
aber die einzelnen historischen Individuen wertet, so ist seine
Wertungsweise in Ansehung ihres Objektes ohne Zweifel
universalistisch. Wenn aber diese Gebilde, die er wertet,
konkret inhaltlich gewertet werden und nicht rein formal,
als Werttotalitäten und nicht als Wertallgemeinheiten, oder
wenn der Wert der Einmaligkeit an ihnen haftend gedacht
wird, so verbindet sich der Universalismus hinsichtlich des
Gegenstandes mit einem Individualismus hinsichtlich der
Methode. Unter dem statischen Gesichtspunkt erscheinen
allerdings die Einheiten, aus denen sich das soziale Wert-
ganze zusammensetzt, so fest eingefügt und eingeordnet in
den allgemeinen Zusammenhang, so unauflöslich mit ihm ver-
knüpft, dass sie von ihm getrennt keinerlei Wert mehr zu
besitzen scheinen, und auch unter dem dynamischen Gesichts-
punkt borgt das historische Individuum, so etwa die „tragische
Epoche" des Griechentums, ihren Wertcharakter bis zu einem
gewissen Grade von dem historischen Ganzen, wenn auch
naturgemäss die Einordnung, wie sie hier vollzogen wird,
nicht annähernd so straff und fest ist, wie unter dem sta-
tischen Gesichtspunkt.
Die Werte des Sozialen, welche Schellings Geschichts-
philosophie aufweist, wie etwa die des Staates und der Kirche,
werden von ihm mit Vorliebe als Organismus, als Kunstwerk
oder auch als lebendiges organisches Kunstwerk bezeichnet1).
Ueber die Bedeutung dieses Begriffes wird am besten die
Weiterbildung des Staatsbegriffes Auskunft geben, welche
Schellings Geschichtsphilosophie in der von uns behandelten
Periode durchgemacht hat. Die Bildung des Staatsbegriffes
zu der für Schelling eigentümlichen Gestalt zerfällt in drei
Etappen, die durch drei philosophische Werke charakterisiert
sind, nämlich erstens durch das „System des transzendentalen
Idealismus", zweitens durch die „Methode des akademischen
Studiums" und drittens durch das „System der gesamten
Philosophie" (1804).
Der Staat, wie ihn das System des transzendentalen
1) a. a. 0. S. 293, 307, 312, 316, 434.