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Meier-Graefe, Julius [Editor]; Renoir, Auguste [Ill.]
Auguste Renoir — München, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.27183#0034
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tat, aber so vollkommen, daß sie zu einem bis zum Überfluß ge-
füllten Symbol wird und wir uns, aller gemalten Welten vergessend,
erinnern, daß sie in der unseren im Zentrum steht.

Renoir ging in der Fleischmalerei etwa auf dem Wege weiter, den
Delacroix 1827 in dem „Sardanapale“ beschritten hatte. Der Rücken
der Frau in der Detailstudie zu dem Gemälde, die sich bei Cheramy
befindet, das denkbar sicherste Zeugnis für Delacroix’ Verhältnis
zu Rubens, zeigt gleichzeitig die Verbindung mit dem Nachfolger.
Der Ausdruck ist ähnlich, die Mittel differieren. Renoir hatte nicht
die geschmeidige dünnflüssige Pinselschrift der alten Meister. Er
teilte die Fläche, die in dem Gemälde Delacroix’ makellos wie
Frauenhaut erscheint. Aber er blieb auch damals den alten Meistern
näher als seine Kameraden, weil ihn die Modifikation des Mittels
nicht hinderte, die Begriffe der Alten zu behalten. Delacroix
besaß die Mittel des Rubens, wie er alle altmeisterlichen Mittel
besaß. Man könnte von ihm sagen, er habe die Alten nur mit
der Macht seines Geistes eingeholt, während sich die Modernen
auf eine Veränderung der Technik angewiesen sahen.

Delacroix hatte das Bewegte seines großen Ahnen noch be-
schleunigt. Er preßte die Gewalt Rubensscher Dekorationen in
das verzweigtere Gefüge des Staffeleibildes. Es ist die dem
Renoirschen Weg entgegengesetzte Methode. Delacroix ent-
nahm dem Palaste des Flamen nicht nur ein Kissen. Er ver-
einfachte Rubens nicht, er bereicherte ihn, und zwar nicht nur in
Einzelheiten, sondern im Ganzen. Er vergeistigte das Übernommene
und fügte ihm neuen Reichtum hinzu. Er malte große Komplexe,
die um so enormer erscheinen, je geringer ihr Umfang ist, wie
Rubens winzige Bilder, die man Skizzen zu nennen pflegt, Kleinodien
im strahlenden Gehäuse des Werkes. Er instrumentierte Rubens
auf seine Art, ließ die im Lichten gehaltenen Fugen gleichzeitig
alle Tiefen durchlaufen, illustrierte mit ihnen eine bedeutendere
Gefühlswelt und wurde trotzalledem knapper und präziser. Seine
glühenden Farben sind die unmittelbare Folge einer stets auf das
Maximum gerichteten Spannung. Er büßt fast nichts ein, nicht
einmal eine Schwächung des Dekorativen in seinen Wandgemälden.
Der Louvreplafond steht unangreifbar neben dem Medici-Zyklus.
Die Zeitdifferenz scheint nur eine Steigerung des Materiellen und
des Geistigen zu bringen: größere Pracht, höhere Anschauung.

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