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man sehm, was er zutage gefördert hat. Ein viereckiger Turm von
15 Fuß im Geviert und 40 Fuß Höhe ist in den Hügel eingebaut,
wahrscheinlich zur Stütze. Spatrömische Töpferware, die sich neben
Resten älterer Kultur reichlich hier vorfand, machten es Schliemann
wahrscheinlich, daß dies der Grabhügel sei, den Kaiser Caracalla zu
Ehren seines vertrauten Freundes Festus errichten ließ, nachdem er
angeblich selbst diesen hatte vergiften lassen, um ihm zu Ehren wie
Achill zu Ehren des Patroklos Trauerfeierlichkeiten begehen zu können.

Von hier aus ritten wir südlich nach dem Kanal des Bunar-
baschibaches und dann wieder westlich aufwärts nach dem Besika Tepeh,
der bei den Ausgrabungen besonders alte Thonscherben gezeigt hatte.
Uns fesselte mehr als der Hügel selbst die Aussicht, die er bietet. Er
scheint geradezu aus dem Meere herausgewachsen zu sein, dessen liebliches
Wellenspiel das Auge ebenso anzieht, wie sein rhythmisches Rauschen das
Ohr ergötzt. Dann ging es wieder über Felder und durch Baum-
pflanzungen hinab ins Thal. Die verschiedenen Gewäffer, auf die wir
stießen, kreuzten wir teils auf Brücken, teils durch Furten. Menschliche
Wohnungen und Menschen — natürlich zu Pferde — trafen wir nur
wenige, bis wir das Christendorf Kalifatli erreichten, wo auf den Gaffen
reges Leben herrschte, besonders von Kindern. Zwischen 5 und 6 Uhr
langten wir nach anstrengendem, aber lohnendem Ritte wieder bei unsrer
Kolonie an und erstatteten Bericht über Erlebnisse und Eindrücke.
Freundlich hörte Or. Schliemann nachher beim Abendessen zu, wie wir
ihm die Unhaltbarkeit der Bunarbaschitheorie darlegten. Er hatte ja
nie gezweifelt und eigentlich gemeint, daß unser Ritt ganz überflüssig
sei, aber wir hatten mit eigenen Augen sehen wollen. „Ja, so seid ihr
Deutschen", sagte er. „Darum habe ich auch über euch den meisten
Ärger gehabt. Aber ihr seid mir doch die liebsten."

7. Das „homerische Troja".

Nachdem ich zur inneren Klarheit über die Baustätte des alten
Jlion gekommen war, interesfierte mich Hissarlik um so mehr. Die
nächsten Tage verwandte ich, um an Ort und Stelle die Jlias völlig
durchzulesen, und dabei mich stets zu fragen, wie die erzählten Borgange
mit dieser Ortlichkeit in Einklang zu bringen seien. Wo ich mich nicht
sogleich herausfand, half mir Or. Dörpfeld freundlich nach; denn auch
er ist, wie Schliemann war, „homerfest". Jch wüßte schließlich nur
 
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