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Das chinesische Porzellan

"Tnsere jetzt so reiche Kunstliteratur auf diesem Gebiete ermöglicht es
I dem Sammler und Liebhaber heute systematischer zu sammeln als
' früher und sich Spezialgebieten zuzuwenden. Durch das Hinzutreten der
künstlerischen Fayenceplastik und der Frühkeramik ist das Sammelgebiet be-
deutend vielseitiger geworden.
Wir haben leider in unseren deutschen Museen, die das chinesische Porzellan
überhaupt nie planmäßig gesammelt haben, nur wenig Anschauungsmaterial.
Zum Glück aber ist uns in Dresden im Johanneum die imponierende, einzig-
artige Sammlung chinesischen Porzellans erhalten, die der kunstsinnige August
der Starke angelegt hat. Sie führt uns in fast lückenloser Vollständigkeit, aller-
dings nur in der Hauptsache die Formen der großen Kanghi-Epoche vor, aber
in solcher Auswahl der schönsten Exemplare, daß sie von keiner anderen
öffentlichen Sammlung in der Welt übertroffen wird.
Ich kann hier nicht näher auf die Entwicklungsgeschichte der chinesischen
Porzellankunst eingehen, worüber uns ja ausgezeichnete Werke (s. unten) zur
Verfügung stehen. Nur einige kurze Richtlinien zur Orientierung möchte ich
für die Sammler geben, welche auf diesem Gebiete eine Sammlung anlegen
wollen.
Seit wir durch die Grabfunde von einer Frühkeramik die erste Kunde erhielten,
haben wir manche Überraschungen erlebt, und unsere Vorstellung von der
chinesischen Porzellankunst berichtigen müssen.
Wie bei allen Völkern mit hochentwickeltem Kunstgefühl in ihren frühen
Kunsterzeugnissen uns schon eine besondere Welt der Kraft und Schönheit in
den Formen, sowie in der Naivität der Verzierung entgegentritt, so auch in
den hervorragenden Stücken der Kunstkeramik dieser chinesischen Früh-
perioden. Diese Höhe der künstlerischen Vollendung kann man schon als einen
Gipfelpunkt bezeichnen.
Es war die Zeit der Tang-, Sung- und Ming-Epochen und besonders in letzterer
erreicht die chinesische Porzellankunst ihre höchste Reife. In der Tat ist die
Wucht und Einfachheit der Ming-Formen in der späteren Kanghi-Epoche nie
mehr erreicht worden. Auch die großzügige Ornamentik der Ming-Zeit mußte
unter der zunehmenden Technik der Kanghi-Zeit ihre naive Frische zugunsten
eines zwar erstaunlich vollendeten, aber schon etwas weichlichen Dekorations-
stiles einbüßen. Das Wort: „Je vollendeter die Technik wird, desto mehr leidet
die Kunst“, paßt nirgends besser als für die Entwicklung der chinesischen
Porzellankunst.
 
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