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XV

Nachdem die Gäste vom Gastgeber begrüßt, gilt ihr erster ehrfurchtsvoller
Gruß dem Bilde des großen Meisters Sesshu. Der Wirt bittet nun die Gäste
sich zu setzen, in der Stille des kleinen Raumes singt der Teekessel über
dem Holzkohlenfeuer sein eintönig Lied, ein feiner Duft verbrannten Räucher-
pulvers durchzieht die Luft und nur gedämpft dringt das Licht durch die
kleinen Fenster herein. Nachdem die Teilnehmer kleine Kuchen, auf schönen
Lackplatten gereicht, als Vorspeise genossen haben, füllt der Wirt unter
genauabgemessenen Bewegungen die Teeschale mit kochendem Wasser, ent-
nimmt dann der kostbaren Teeurne den grünen Pulvertee mit der zierlichen
Teeschaufel, setzt ihn unter Schlagen mit dem Bambusquirl dem Wasser der
Schale zu und reicht nun das Getränk seinem ihm zunächst sitzenden Gast.
Die Kunst des Trinkens bestand darin, keinen Bodensatz des grünen Pulvers
in der Schale zu lassen. Nachdem alle Gäste schweigend getrunken haben,
bittet der rangälteste Gast den Wirt, die Teegeräte besichtigen zu dürfen.
Die Teeschale, mit der mächtigen Silhouette eines beschneiten Kiefernbaumes
verziert, geht bewundert von Hand zu Hand. Der Gastgeber erklärt die
Schale als ein persönliches Werk des großen Meisters Kenzan, ebenso das
kostbare Lackkogo mit dem Räucherwerk als ein solches des großen Korin.
Als endlich die Teeurne herumgereicht und der Wirt zögernd verrät, daß
diese, nach den Annalen des Hauses ein eigenhändiges Werk und Geschenk
des berühmten Chajins Enshu sei, geht ein beifälliges Murmeln von den Lippen
der ernsten Gäste. Man spricht pietätvoll über die Kunst der alten Meister
und verweilt im Geist unter ihnen. Kein profanes Wort oder gar Streit über
Tagesmeinungen stört die Andacht dieser stillen Stunde. Nun erheben sich
die Gäste, werfen zum Abschied einen letzten ehrfurchtsvollen Blick nach dem
Bilde im Tokonoma und verlassen in genauer Reihenfolge, wie sie gekommen,
den Teeraum.
 
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