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Liening, Simon; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Universität zu Köln [Mitarb.]
Das Gesandtschaftswesen der Stadt Straßburg zu Beginn des 15. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 63: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.57729#0012
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I. Einleitung

1. Einführung in das Themenfeld
„Das Gesandtschaftswesen ist keine Institution. Das heisst: es ist nicht
zu irgend einer bestimmten Zeit von irgend jemandem geschaffen;
vielmehr, es ist aus dem Bedürfnis des allgemeinen menschlichen
Verkehrslebens von selbst erwachsen. [...] Gesandter ist eben ur-
sprünglich jeder C, den A (Absender) an B (Adressaten) sendet, um
etwas zu überbringen, zu sagen, zu bitten, zu fordern, zu beraten, zu
erwirken, was er, A, persönlich überbringen, sagen usw. nicht kann
oder nicht will. Solange C mit der Erfüllung der Aufgabe beschäftigt
ist, solange bleibt er Gesandter; er hört auf es zu sein, indem er zu
seiner gewöhnlichen Lebensweise zurückkehrt. Das Gesandtentum ist
von Ursprung nicht ein Amt, sondern nur, allgemein, eine Funktion/'1
In seiner 1892 erschienenen Studie „Deutsches Gesandtschaftswesen im Mittel-
alter" formulierte Viktor Menzel diese allgemeine Definition zum Themenfeld.
Auch wenn Menzel selbst spezifischere Beschreibungen unterschiedlicher Ge-
sandtentypen2 in seiner Studie vorlegte und seine Definition sicher nicht auf
einen allgemeingültigen Anspruch abzielte, so wies er mit diesen einleitenden
Worten dennoch auf zwei grundlegende Merkmale hin. Diese werfen für die
Erforschung von „Gesandten" und des „Gesandtschaftswesens" zugleich Pro-
bleme auf. Denn wenn das Gesandtschaftswesen keine Institution und die Tä-
tigkeit als Gesandter eher eine Funktion als ein Amt oder ein Beruf war, so
erscheinen diese beiden Begriffe zunächst recht allgemein und schwer fassbar zu
sein.
Diese Probleme treten auch im Zuge der Erforschung eines städtischen Ge-
sandtschaftswesens im Mittelalter auf und beginnen bereits bei den in den
Quellen vorhandenen Terminologien. Die Wörter „Gesandter" und „Gesandt-
schaftswesen" sind keine Quellenbegriffe des späten Mittelalters. Während sich
„Gesandtschaftswesen" auch nicht durch andere Begriffe der Zeit adäquat er-
setzen lässt und somit ein moderner Ausdruck zur Beschreibung der mit Ge-
sandten und Gesandtschaften verbundenen Aktivitäten, Organisationsformen

1 Menzel, Gesandtschaftswesen, S. 1.
2 Viktor Menzel klassifizierte Gesandte grundsätzlich in Boten, Botschafter und Machtboten.
Ebenso unterschied er weltliche und geistliche Gesandte und untersuchte darüber hinaus Ge-
sandschaften der deutschen Fürsten und ebenfalls städtische Gesandte, vgL hierzu Menzel,
Gesandtschaftswesen, S. 3 und S. 161-179. Evelien Timpener unterschied jüngst zwischen drei
Typen von Handlungsträgern in der spätmittelalterlichen Diplomatie und Nachrichtenüber-
mittlung: 1) Boten als einfacher Briefträger; 2) Boten als werbender Übermittler; 3) Gesandte, vgL
Timpener, Strategien, S. 82-85.
 
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