Roms Antiken im 16. und 17. Jahrhundert Winckelmann 7
die Anschauung antiker Bildwerke über den Bereich Roms hinaus
verbreitet, Rom selbst aber lief Gefahr, seine alte Alleinherrschaft
auf diesem Gebiete zu verlieren. Dieser Gefahr vorzubeugen,
sollte die neue Ausgestaltung und Bereicherung des kapitolinischen
Museums dienen, das im Jahre 1734 eröffnet ward, vorzugsweise
das Werk zweier Päpste, Clemens XII. und Benedicts XIV., und
ihrer energischen Ratgeber. Ihm schloß sich ein Menschenalter
später die einzige private Neuschöpfung dieses Jahrhunderts an,
die Villa des Kardinals Albani, mit ihren ebenso auserlesenen wie
geschmackvoll über alle Räume verteilten antiken Bildwerken.
1 Das war im großen ganzen der Antikenbesitz, über den
Winckelmann verfügte, ais er um die Mitte des 18. Jahrhunderts
nach Rom kam und den bisher ungeordneten Stoff zu seiner
Kunstgeschichte zusammenfügte. Die römischen Sammlungen
boten ihm fast das ganze Material. Aber was war es, das sie
enthielten? Einige wenige Originalwerke aus spätgriechischer Zeit,
70 wie die Galliergruppen, den farnesischen Stier, den Laokoon; eine m
71 Reihe charakteristischer Reliefs, Statuen und Büsten aus der römi-
schen Kaiserzeit — alles andere waren keine Originale, sondern
römische Kopien griechischer Werke aus den verschiedensten
Epochen, zum großen Teil Arbeiten geringer Kunsthandwerker,
aus denen Charakter und Reiz der zugrunde liegenden Originale
nur schwer zu entnehmen waren. Selbst so berühmte Werke wie
58 der belvederische Apollon hoben sich doch nur durch den Grad 477
der Güte der Nachbildung aus der Masse hervor. Und all das
war zerstreut über die verschiedenartigsten Aufbewahrungsorte,
oft in wahren Schlupfwinkeln verborgen, so daß eine vergleichende
Betrachtung überaus erschwert war. Bedenkt man weiter, daß
auch die Nachrichten der alten Schriftsteller über antike Kunst
nirgend geordnet vorlagen, sondern auch erst aus allen Ecken zu-
sammengesucht werden mußten, so treten alle Unvollkommen-
heiten in Winckelmanns Kunstgeschichte zurück vor der staunen-
den Bewunderung, daß es dem Feuereifer, dem eindringenden
Kunstverständnis und der aus dem bunten Schein und aller
Entstellung zum inneren Sein und zu dessen geschichtlichem
Zusammenhange hindurchdringenden Sehergabe des märkischen
die Anschauung antiker Bildwerke über den Bereich Roms hinaus
verbreitet, Rom selbst aber lief Gefahr, seine alte Alleinherrschaft
auf diesem Gebiete zu verlieren. Dieser Gefahr vorzubeugen,
sollte die neue Ausgestaltung und Bereicherung des kapitolinischen
Museums dienen, das im Jahre 1734 eröffnet ward, vorzugsweise
das Werk zweier Päpste, Clemens XII. und Benedicts XIV., und
ihrer energischen Ratgeber. Ihm schloß sich ein Menschenalter
später die einzige private Neuschöpfung dieses Jahrhunderts an,
die Villa des Kardinals Albani, mit ihren ebenso auserlesenen wie
geschmackvoll über alle Räume verteilten antiken Bildwerken.
1 Das war im großen ganzen der Antikenbesitz, über den
Winckelmann verfügte, ais er um die Mitte des 18. Jahrhunderts
nach Rom kam und den bisher ungeordneten Stoff zu seiner
Kunstgeschichte zusammenfügte. Die römischen Sammlungen
boten ihm fast das ganze Material. Aber was war es, das sie
enthielten? Einige wenige Originalwerke aus spätgriechischer Zeit,
70 wie die Galliergruppen, den farnesischen Stier, den Laokoon; eine m
71 Reihe charakteristischer Reliefs, Statuen und Büsten aus der römi-
schen Kaiserzeit — alles andere waren keine Originale, sondern
römische Kopien griechischer Werke aus den verschiedensten
Epochen, zum großen Teil Arbeiten geringer Kunsthandwerker,
aus denen Charakter und Reiz der zugrunde liegenden Originale
nur schwer zu entnehmen waren. Selbst so berühmte Werke wie
58 der belvederische Apollon hoben sich doch nur durch den Grad 477
der Güte der Nachbildung aus der Masse hervor. Und all das
war zerstreut über die verschiedenartigsten Aufbewahrungsorte,
oft in wahren Schlupfwinkeln verborgen, so daß eine vergleichende
Betrachtung überaus erschwert war. Bedenkt man weiter, daß
auch die Nachrichten der alten Schriftsteller über antike Kunst
nirgend geordnet vorlagen, sondern auch erst aus allen Ecken zu-
sammengesucht werden mußten, so treten alle Unvollkommen-
heiten in Winckelmanns Kunstgeschichte zurück vor der staunen-
den Bewunderung, daß es dem Feuereifer, dem eindringenden
Kunstverständnis und der aus dem bunten Schein und aller
Entstellung zum inneren Sein und zu dessen geschichtlichem
Zusammenhange hindurchdringenden Sehergabe des märkischen