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Ionische Vasen 201

Perioden und ihrer Zusammengehörigkeit; die kulturhistorische
und ethnologische Bedeutung dieser älteren Tonware übertrifft
weit ihren Wert für die Kunstgeschichte in engerem Sinne. Diese
tritt erst wieder in den Vordergrund, wo zu dem rein dekorativen
Schmucke der Geräte das figürliche Element mit immer selbständiger
werdender Bedeutung hinzutritt. In der ägäischen Periode ist
das nur vereinzelt der Fall; etwas mehr gilt es von der späteren
Phase des geometrischen Stils, der sogenannten Dipylonkunst (S. 177).
Für die folgende Vasenmalerei der historisch helleren Zeit aber
galten um 1870 noch im wesentlichen die alten Anschauungen,
wie sie Otto Jahn 1854 dargelegt hatte (S. 62). Nur in einem
Punkte war man, nicht durch Stilbetrachtung, sondern mit Hilfe
der Philologie, darüber hinausgekommen.

1863 erschienen zuerst Adolph Kirchhoffs epochemachende
»Studien zur Geschichte des griechischen Alphabets«. Unter
den vielen wichtigen neuen Ergebnissen dieser meisterhaften Unter-
suchung war auch das, daß Kirchhoff auf Grund des Alphabets
der Inschriften aus der großen Masse »korinthischer« Vasen eine
87,9f. besondere Klasse ausschied, die ihr Alphabet nach dem euböischen 274/5
Chalkis oder seinen vielfachen Kolonien verwies. Damit hatte
zum erstenmal eine i o n i s c h e Stadt ihre Stelle unter den Fabrikations-
orten bemalter Vasen erhalten. Die stilistische Prüfung bestätigte
das Resultat, und mancher mag sich nachträglich mit Verwunderung
gefragt haben, wie denn eigentlich das regsame und künstlerisch
so reich veranlagte Ionien auf diesem Kunstgebiet ganz hätte
fehlen sollen. Allein die alte Anschauung war so eingewurzelt
und die Enge des italischen Gesichtskreises noch so stark, daß,
als kurz darauf aus den Gräbern von Cäre (Cerveteri) eine neue
hocheigentümliche Vasenklasse älteren Stils auftauchte, man sich
87,4f. darauf versteifte in diesen »Cäretaner Vasen« etruskische Nach-
ahmungen korinthischen Stils zu finden. Es hat erst längerer
Zeit bedurft, um auch hier einen (freilich von dem chalkidischen
sehr abweichenden) ionischen Stil anzuerkennen. Wer die treffende,
aus dem Leben gegriffene Darstellung der Ägypter und der Nubier
auf der Busirisvase des Louvre betrachtete, konnte nicht zweifeln, 272
daß der Maler in einer Gegend zu Hause war, von wo aus eine
 
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