Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
224 X. Die Außenländer seit 1870

i braucht nur die Statue des kauernden Schreibers im Louvre zu 45 »2s
nennen, um an die außerordentliche Entdeckung zu erinnern, daß
schon früh im Alten Reich, in der fünften Dynastie, eine so lebens-
volle Kunst bestanden habe. Es war ein ungeahnter neuer Aus-
blick in die Frühzeit ägyptischer Kunst, der sich da eröffnete,
über die konventionelle Gebundenheit der späteren, an die Archi-
tektur gefesselten Plastik hinaus auf eine wohl schon stilvolle
und an das Gesetz der »Frontalität« gebundene, aber innerlich
freiere, äußerlich selbständigere, auf schärfster Beobachtung be-
ruhende und die Technik wunderbar beherrschende Skulptur aus
etwa der Mitte des 3. Jahrtausends! Und der Schreiber blieb ja
keine vereinzelte Erscheinung; ihn sollte demnächst der »Dorf- (u) M
schulze« an Popularität noch übertreffen, und ein ganzes Heer
lebensvoller Genrefiguren, in Beschäftigungen des täglichen Lebens 47/9
begriffen, trat ihnen zur Seite.

Auf Mariette folgte 1881 Gaston Camille Maspero, der die
philologisch-historische Seite der ägyptologischen Forschung be-
tonte und zu hoher Blüte brachte. Zu den großen Pyramiden

. von Gize kamen unter seiner Leitung die kleineren und etwas
späteren von Sakkara hinzu, Bauten der fünften und sechsten
Dynastie, in denen diese imposante Gräberform des alten Reiches
ihr Ende findet. In ihrem Inneren kamen lange religiöse Texte
in der alten Sprache zum Vorschein, die einen tiefen Einblick in
die Religion der Pyramidenzeit gestatteten. Aus ihnen ward auch
zum erstenmale die älteste Periode der ägyptischen Sprache be-
kannt und damit erst die Grundlage für eine ägyptische Gram-
matik gewonnen.

Ein weiterer Fortschritt bestand auch auf diesem Gebiet
in der vervollkommneten Methode der Ausgrabungen. Neben
die Franzosen traten bald im Wetteifer andere Nationen, Eng-
länder, Deutsche, Amerikaner; überall bildeten sich Gesellschaften
zur Erforschung Ägyptens. Durch seine energische Inangriffnahme
immer neuer Ausgrabungen zeichnete sich neben vielen anderen
besonders Flinders Petrie aus, ein Schotte, der sich zuerst an den
heimischen Altertümern geübt hatte und dann seit 1880 den ganzen
Eifer des Autodidakten auf die Aufgaben in Ägypten übertrug,
 
Annotationen