Ägypten. Altes Reich. Tell-el-Amarna. Pyramiden 225
mit gleicher Begeisterung aber mit viel wissenschaftlicherem Sinn
als Schliemann. Entsprechend der oben (Kap. VII) geschilderten
Richtung auf klassischem Gebiete machte er sich zuerst daran
ganze Städte aufzudecken. In kurzen Zwischenräumen erschienen
seine zweckmäßig angelegten Berichte, die immer den Ausgra-
bungen auf dem Fuße folgten. Von Naukratis (1884/86), der
für den ältesten griechischen Verkehr mit dem Nillande besonders
wichtigen Niederlassung, war schon oben die Rede (S. 203). Ganz
hervorragendes Interesse bot die Aufdeckung von Tell-el-Amarna '"-^
(1895), der Residenz des Reformkönigs Echnaton oder Ameno-
phis IV. Es galt für das »ägyptische Pompeji«. Ein für das kon-
ventionelle Ägypten unerhörter schrankenloser Realismus bezeich-
nete die Bilder des ketzerischen Königs, der nicht den Sonnengott 85f.
Re, sondern den feurigen Sonnenball selbst mit seinen Strahlen
anbetete. Die Landschaften und Tierszenen auf dem Gipsestrich 87
seines Palastes bezeugten die Kraft fremder, »ägäischer« Kultur-
einflüsse auf das damalige Ägypten (S. 193). Schon früher war
das Tontafelarchiv dieser Residenz gefunden worden und hatte
überraschende Einblicke in die diplomatische, in Keilschrift drei-
sprachig geführte Korrespondenz der beiden Großmächte Ägypten
und Babylonien um 1400 v. Chr. tun lassen. Neuerdings (seit
1895) erwirbt sich der Architekt Ludwig Borchardt durch seine
gründlichen und methodischen Ausgrabungen besondere Ver-
dienste. Ihm verdanken wir eine tiefere Einsicht in die Geschichte
des Pyramidenbaues und in die ganzen Anlagen, von denen die 38
Pyramide selbst nur den Abschluß bildet: ein Vorbau führt zu
einem bedeckten Gange, dieser zum Grabtempel, hinter dem sich
die Pyramide aufbaut. Auch die Säulenformen Ägyptens haben 62f.
durch Borchardt eine klärende Behandlung erfahren.
Das letzte Stadium der Erforschung Ägyptens hat hier, wie
anderswo, die bisherigen Grenzen unseres Wissens rückwärts
überschritten und Blicke in die Zeit der ersten mit dem Könige
Menes beginnenden Dynastien, ja darüber hinaus in die Frühzeit
der ägyptischen Kultur eröffnet. Seit etwa zehn Jahren sind
namentlich J. de Morgan, Flinders Petrie und J. E. Quibell in
dieser Richtung tätig. Zuerst trat 1897 in Nagada das von
Michaelis, Die archäologischen Entdeckungen. 15
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mit gleicher Begeisterung aber mit viel wissenschaftlicherem Sinn
als Schliemann. Entsprechend der oben (Kap. VII) geschilderten
Richtung auf klassischem Gebiete machte er sich zuerst daran
ganze Städte aufzudecken. In kurzen Zwischenräumen erschienen
seine zweckmäßig angelegten Berichte, die immer den Ausgra-
bungen auf dem Fuße folgten. Von Naukratis (1884/86), der
für den ältesten griechischen Verkehr mit dem Nillande besonders
wichtigen Niederlassung, war schon oben die Rede (S. 203). Ganz
hervorragendes Interesse bot die Aufdeckung von Tell-el-Amarna '"-^
(1895), der Residenz des Reformkönigs Echnaton oder Ameno-
phis IV. Es galt für das »ägyptische Pompeji«. Ein für das kon-
ventionelle Ägypten unerhörter schrankenloser Realismus bezeich-
nete die Bilder des ketzerischen Königs, der nicht den Sonnengott 85f.
Re, sondern den feurigen Sonnenball selbst mit seinen Strahlen
anbetete. Die Landschaften und Tierszenen auf dem Gipsestrich 87
seines Palastes bezeugten die Kraft fremder, »ägäischer« Kultur-
einflüsse auf das damalige Ägypten (S. 193). Schon früher war
das Tontafelarchiv dieser Residenz gefunden worden und hatte
überraschende Einblicke in die diplomatische, in Keilschrift drei-
sprachig geführte Korrespondenz der beiden Großmächte Ägypten
und Babylonien um 1400 v. Chr. tun lassen. Neuerdings (seit
1895) erwirbt sich der Architekt Ludwig Borchardt durch seine
gründlichen und methodischen Ausgrabungen besondere Ver-
dienste. Ihm verdanken wir eine tiefere Einsicht in die Geschichte
des Pyramidenbaues und in die ganzen Anlagen, von denen die 38
Pyramide selbst nur den Abschluß bildet: ein Vorbau führt zu
einem bedeckten Gange, dieser zum Grabtempel, hinter dem sich
die Pyramide aufbaut. Auch die Säulenformen Ägyptens haben 62f.
durch Borchardt eine klärende Behandlung erfahren.
Das letzte Stadium der Erforschung Ägyptens hat hier, wie
anderswo, die bisherigen Grenzen unseres Wissens rückwärts
überschritten und Blicke in die Zeit der ersten mit dem Könige
Menes beginnenden Dynastien, ja darüber hinaus in die Frühzeit
der ägyptischen Kultur eröffnet. Seit etwa zehn Jahren sind
namentlich J. de Morgan, Flinders Petrie und J. E. Quibell in
dieser Richtung tätig. Zuerst trat 1897 in Nagada das von
Michaelis, Die archäologischen Entdeckungen. 15
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