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Scharff, Alexander; Staatliche Museen zu Berlin / Ägyptische Abteilung
Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung: Werkzeuge, Waffen, Gefässe — Berlin: Curtius, 4.1931

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Einleitung: Ägyptens vor- und frühgeschichtliche Kulturentwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.72929#0019
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Einleitung.
Aegyptens vor- und friihgeschichtliche Kulturentwicklung.
Um zu einem Gesamtbilde der vorgeschichtlichen Kulturen Ägyptens zu gelangen, kann man die
uns überkommenen Funde archäologisch auf zwiefache Weise untersuchen. Der Ägyptologe wird die Funde
von ihren Anfängen an immer mit der Blickrichtung auf die geschichtliche Zeit Ägyptens hin betrachten
und sich bei den Einzeldingen fragen: was bedeutet dieses oder jenes für die spätere Entwicklung der
ägyptischen Religion, Kunst, Schrift oder Sprache — kurz, er sucht die verschiedenen Wurzeln zu erfassen,
aus denen das Wunderwerk der geschichtlichen ägyptischen Kultur entstanden ist. Dabei zieht er die
Nachbarkulturen Ägyptens zur Erklärung fremder Erscheinungen in Ägypten heran. Die zweite Betrachtungs-
weise ist die des nach kulturhistorischer Methode arbeitenden Prähistorikers. Für ihn bietet das fund-
reiche Ägypten mit seinen verhältnismäßig günstigen Datierungsmöglichkeiten eine willkommene Hilfe,
von hier aus andere, weniger gut eingereihte Kulturen zu erklären. Darüber hinaus ist das auf der Grenze
der westlichen und der östlichen Kulturwelt gelegene Nilland, fern von einer oasenhaften Abgeschlossenheit,
immer ein Durchzugsland gewesen, und so ist Ägypten von größter Wichtigkeit nicht nur als Glied der
ältesten Mittelmeerwelt, sondern auch als ein Gebiet, in dem mancherlei Urkulturen im Sinne der Kultur-
kreislehre ihren Niederschlag hinterlassen haben1). So blickt der Prähistoriker im Gegensatz zum Ägyptologen
vom Anfang der geschichtlichen Zeit Ägyptens nach rückwärts, aber auch nach allen Seiten; sein Blick-
feld weitet sich und endet bei den verschiedenen Anfängen menschlicher Kultur. Beide Betrachtungsweisen
sind gleich berechtigt und gleich förderlich, sie müssen sich sogar ergänzen. Daß im vorliegenden Werk,
das von einem Ägyptologen in erster Linie für Ägyptologen2) geschrieben ist, im wesentlichen nur die erste
Betrachtungsweise in Frage kommt, sei ausdrücklich hervorgehoben. Daneben gibt es noch eine dritte
Betrachtungsweise der Vorzeit Ägyptens, die Sethe in seinem jüngst erschienenen, ungemein scharfsinnigen
Werle „Urgeschichte und älteste Religion der Ägypter" (Leipzig 1930) angewandt hat, nämlich eine Rekon-
struktion der Urgeschichte unter Beiseitelassung alles archäologischen Materials lediglich auf Grund von
religiösen Überlieferungen und von altüberkommenen geographischen Schriftbezeichnungen. Daß eine so
einseitige Betrachtungsweise keine vollkommene Lösung bringen kann, liegt auf der Hand. Bei Sethes
Versuch ist aber so viel Wesentliches herausgekommen, daß es wohl verlohnt, seine wichtigsten Ergeb-
nisse auch archäologisch zu beleuchten und sie so für den Prähistoriker und Kulturhistoriker erst nutz-
bar zu machen, in der Überzeugung, daß nicht nur ein einziger Weg zum Ziele führt und daß es förderlich
ist zu erkennen, was andere, dem gleichen fernen Ziele zustrebend, auf ihrem Wege gefunden haben.
A. Das Altpaläolithikum in Aegypten.
Den europäischen Eiszeiten, in denen der Mensch zuerst auftrat, entsprachen in Nordafrika Regen-
zeiten3). Nur das Atlasgebirge war vergletschert, die heutigen großen Wüsten waren bewohnbar. Das
Niltal hatte noch nicht seine heutige Gestalt; der Fluß füllte es seeartig aus, und der vom Flusse
9 Gedacht ist besonders an die Arbeitsweise 0. Menghins, von dem wir hoffen dürfen, daß er uns einmal eine
„ägyptische Vorgeschichte" in diesem Sinne bescheren wird.
2) Prähistoriker, die diese Einleitung lesen, mögen darum entschuldigen, wenn zumal am Anfang Dinge besprochen
werden, die jedem Prähistoriker geläufig sind.
3) Eine zuverlässige, lesbare Darstellung der geologischen Verhältnisse Ägyptens gibt M. Blanckenhorn, Die Stein-
zeit Palästina-Syriens und Nordafrikas (Das Land der Bibel, 111, 5/6 und IV, 1).

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