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Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft Süddeutscher Kunstgewerbevereine — 1.1926

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Danzer, Paul: Deutscher Amerikanismus
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Rücklin, Rudolf: Juwelenschmuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.9334#0002
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des abnehmenden Bodenertrags) eine kapitalistische Ent-
wicklung nicht in dem Maße wie die Industrie. Im
Gegenteil hat sich hier der Großbetrieb dem Klein-
betrieb gegenüber durchaus nicht als unbedingt über-
legen erwiesen, letzterer kann nicht einmal entbehrt
werden. Damit ist schon ein gut Teil der Menschheit
für die Bandarbeit verloren. Noch selbstverständlicher
müßte es sein, daß eine überindustrielle Entwicklung
erhöhten Bedarf an Führern und Unternehmern alle^Art
und an sonstigen geistigen Arbeitern hat. Neben dem
Siedlungs-Typenhaus, das heute schlankweg als das
einzig berechtigte Objekt baukünstlerischen Schaffens
hingestellt werden möchte, wird sich also das Bedürfnis
ergeben müssen, auch den Millionären, Politikern,
Ärzten, Juristen, Wissenschaftlern ein Dach über dem
Kopfe zu schaffen und es ist fraglich, ob deren Kollektiv-
willen auf eines der 3 —4 überlebenden Typenhäuser ge-
richtet sein wird. Es ist aber sogar denkbar, daß Syn-
dikate, . Gewerkschaften, Pazifistenverbände, auch die
Kultusgemeinschaften, die sich bislang als sehr zählebig
gezeigt haben, auf Gebäude von geradezu monumentalem
Charakter berechtigten Anspruch erheben werden, kurz-
um die Bauaufgaben werden sich, unbeschadet einer
hoffentlich glücklichen Lösung der Großstadt- und
Siedelungsfragen, im ganzen wohl im bisherigen Rahmen
bewegen, und es kann in Ruhe abgewartet werden, ob
eine rationelle Massenherstellung von Kleinhäusern ge-
lingt und ob daraus etwa eine neue Menschheit ent-
stehen wird.

Diese wenigen Hinweise genügen vielleicht, um zu
zeigen, daß der Amerikanismus, wie er seit Jahren in
Deutschland mehr und mehr als Kulturideal und unent-
rinnbare Zukunftsentwicklung hingestellt wird, wie er
mit großem Aufwand an Schlagworten auf dem Wege
über die Architektur auch den Wohnsitten und der
Gebrauchskunst aufgedrängt werden möchte, kaum
flüchtiger Prüfung stand hält. Man studiere Amerika
— aber gründlich! — und ohne Voreingenommenheit
und unterlasse es, einer schematischen Verpflanzung in

unsere ganz anders gearteten Verhältnisse oder gar einer
Verallgemeinerung für die ganze Menschheit das Wort
zu reden. Wen aber der Dollar-Reichtum blendet, der
vergesse nicht, daß dieser keineswegs der amerikanischen
Produktionsweise allein entspringt, sondern auch im
Bandreichtum und den Bodenschätzen eine Quelle hat,
ohne den Weltkrieg aber überhaupt gar nicht
denkbar wäre.

Mag man ererbte Kultur für einen Segen oder einen
Fluch halten, so viel steht fest, daß sie nicht willkürlich,
selbst nicht aus wirtschaftlichem Zwang, einfach abge-
streift werden kann, sie wirkt mit elementarer Macht im
Volke weiter. Wer von Zukunft zu sprechen für nötig
und aussichtsreich hält, der übersehe nicht, daß der
Mensch sich im Laufe der Zeiten im Grunde recht
wenig ändert, daß der amerikanische Typus Mensch
auch nicht durch Veränderung, sondern durch Aus-
scheidung zustande gekommen ist. Der Mensch ist es
aber, der die Geschichte und die Kultur letzterdings
macht, die Maschine, die Technik kann äußerliche Ver-
änderungen verursachen. Der Gesichtskreis oberfläch-
lichen Großstadttums ist vielleicht am meisten davon
berührt, aber das darf nicht überschätzt werden. Jeden-
falls gibt es Gründe genug für die Aussicht, daß bei
uns auch fernerhin und auf vorerst unabsehbare Zeit
ein Bedürfnis nach individueller Gestaltung unseres
Daseins und unserer Umgebung bestehen und sich
Wirksamkeit verschaffen wird; daß ein Kreis voll-
wertiger Menschen sich nicht an der Schönheit eines
Schwungrads oder einer Drehbank allein wird genügen
lassen, sondern mit warmem Herzen das weiterpflegen
und immer wieder lebendig entwickeln wird, was über
die Befriedigung des nackten Lebensbedarfes hinaus
echter Freude an Form und Farbe Nahrung gibt. Dieses
Bestreben rege zu erhalten und zu stärken, unbeirrt um
das laute Treiben des Tages und unbedachte Schlag-
worte, das ist die Aufgabe aller, denen es gegeben ist,
mit ihrer Hände Arbeit Form zu schaffen.

Paul Danzer, München.

Juwelenschmuck.

Unsere umfangreiche Literatur über Kunst und
Kunsthandwerk befaßt sich — von wenigen Fachzeit-
schriften abgesehen — kaum irgendwo mit dem Juwelen-
schmuck. Es ist die Frage berechtigt, welche Gründe
hiefür bestehen und ob dieses völlige Totschweigen
eines Arbeitsgebietes, dem niemand den Charakter künst-
lerischen Schaffens bestreiten wird, seine Berechtigung hat.

Aber hier treffen wir schon auf eine Schwierigkeit.
Ist der Juwelenschmuck ein Zweig des Kunstgewerbes,
d. h. handelt es sich hier um eine Kunstübung? Daß
ein Ring, ein Anhänger ein Kunstwerk sein kann, be-
zweifelt niemand. Ob ein Juwelenschmuck im eigent-
lichen Sinne des Wortes, also ein Schmuckstück, das
seine Wirkung nur mit dem weißen Platin und dem
weißfunkelnden Diamanten erzielt, auch ein Kunstwerk
sein kann, darüber zerbricht man sich den Kopf nicht.
Man begnügt sich, die dahin gehörigen Erzeugnisse
künstlerisch zu ignorieren, in dem Vorurteil, daß hier
lediglich der Wert des Materials, aber keine künstlerische
Wirkung in Frage komme.

Das ist wohl der Kernpunkt der Frage: Hat der
Juwelenschmuck eine künstlerische Wirkung? Ist also
— denn das hängt damit zusammen — das Schaffen
eines solchen eine künstlerisch-schöpferische Tätigkeit?
Und wenn das der Fall ist, warum bleibt diese Arbeit
eine so abseitige, so wenig mit den anderen Gebieten

des Kunsthandwerks im Zusammenhang stehende?

Der Diamant als solcher ist kein Material, das
künstlerisch bearbeitet werden kann. Er wird nur als
Schmuckstein geschliffen; das ist eine wissenschaftlich
durchgebildete Technik, die den einzelnen Stein wohl
zu höchster Licht- und Glanzwirkung bringt, die aber
nicht ermöglicht, daß mit dem einzelnen Stein ein künst-
lerischer Schönheitsgedanke zum Ausdruck gebracht
wird. Wenn wir also von einem solchen reden wollen,
so müssen wir das Zusammenfügen von mehreren Steinen
durch das Hilfsmittel des Metalls zu einem Schmuck
ins Auge fassen.

Um auch hier mit einem Negativen zu beginnen:
Der geschliffene Diamant ist durchsichtig, stark glänzend
und lichtbrechend. Es kann also durch das Zusammen-
fügen von mehreren Diamanten keinesfalls eine plastische
Wirkung, das Wort im allgemein üblichen Sinn ge-
nommen, erzielt werden. Ebensowenig kann man eine
Farbwirkung irgendwelcher Art anstreben. Denn die
Farbspiele, die der geschliffene Diamant entwickelt,
wechseln mit jeder Änderung der Beleuchtung und mit
jeder Bewegung. Als Begleitmetall kann für den „aus-
gefaßten", also nur aus Diamanten bestehenden Schmuck,
nur das farblos weiße Platin in Frage kommen. Die Aus-
drucksmittel des Juwelenschmuckes sind also das Ge-
funkel der Steine und der Glanz des weißen Metalles,
 
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