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Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft Süddeutscher Kunstgewerbevereine — 1.1926

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Segmiller, Ludwig: Der funktionelle Stil und das Kunstgewerbe
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Vereinsnachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.9334#0008
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manchen Zweigen, etwa beim Möbelbau, den Uhren, in
der Großsilberbranche usw. denkbar. Man hat übrigens
- was nicht übersehen werden darf — das Funktionelle
in den Möbeln, im Großsilber usw. schon längst betont.

Genau so wenig wie eine nur zweckmäßige Form
künstlerisch ist, ebenso wenig ist dies eine nur funk-
tionelle Gestaltung. Wir verstehen sie und nehmen sie
bei rein technischen Dingen hin, z. B. elektrischen
Glocken, Staubsaugern, Motoren, sonstigen kleinwirt-
schaftlichen Maschinen, bei Lokomotiven, Flugzeugen,
Fabrikbauten, Getreidesilos und was derlei Schöpfungen
aus der Technik und für die Technik mehr sind. Aber
damit werden nicht alle Forderungen erfüllt, welche die
Menschheit seit Jahrhunderten an den Formschaffenden
stellt. Wie wenig lernen die Vertreter der neuen Sach-
lichkeit aus der Geschichte! Nicht die Sachlichkeitsform,
sondern die individuell gestaltete Form war seit Urzeiten
dem Menschen das Höhere. Mit einer ganz im Primitiven
liegenden Technik versucht der Steinzeitmensch gerade
seine Sachlichkeitsschöpfungen, die Hämmer, Beile, Äxte
u. a., der Mensch der Metallzeiten seine Messer, Dolche,
Schwerter, Töpfe und Geräte über das Funktionelle
zum Künstlerischen hinauzuheben.

Auch primitivste Stufen der Jetztzeit, etwa in Poly-

nesien oder in Afrika, die sogenannten Wilden, begnügen
sich nicht mit der bloßen Sachlichkeit. Man erinnere sich
an die Waffen der Südsee, an die Goldgewichte der
Aschanti, an die Äxte in Schmiedeeisen, ferner die präch-
tigen Schnitzereien auf Holzkästchen oder aus Elfenbein
der Anwohner des Kongo. Höhere Stufen der Geschichte
des Kunstgewerbes oder der Völkerkunde herauszu-
greifen erübrigt sich. Das Wesentliche war zu allen
Zeiten das Schöpferische, nicht die verstandes-
mäßige Konstruktion.

Niemand wird annehmen oder behaupten, daß die
Römer ihre cloaca maxima oder ihre Großbauten der
Wasserleitungen in das Gebiet der Kunst eingereiht
hätten. Wir aber tun dies, indem wir die Technik mit
Werkkunst und Kunstwerk verwechseln.

Wie sagt Poelzig? „Nicht wir haben die Technik,
sondern die Technik hat uns."

Auf kunsthandwerklichem Gebiet werden wir aber
in absehbarer Zeit das überaus vielseitige und reiche
technische Können verlieren, das heißt es selber be-
graben, wenn wir durch die verhängnisvolle Begriffs-
verwechslung die Äußerungen des an sich notwendigen
Konstruktivismus noch länger als Kunstschöpfungen
ansehen. L. Segmiller, Pforzheim.

Vereins-Nachrichten.

Badischer Kunstgewerbe-Verein E.V.,'Sitz Karlsruhe.
Die Ausstellungs- und Verkaufsstelle wird am 25. November d. J.
eröffnet. Die Räume sind vollkommen neu hergerichtet und
modern ausgestattet. Ein Teil der Geschäftsstelle ist bereits
dorthin verlegt. Es liegt im Interesse der Mitglieder, auf die
Ausstellungs- und Verkaufsräume, die im selben Haus wie der
Bad. Kunstverein sind und dadurch eine gewisse gemeinsame
Basis mit diesem haben, hinzuweisen. Auch wäre es wünschens-
wert, im Bekanntenkreise dafür zu werben, Weihnachtseinkäufe
in dem neuen Laden vorzunehmen.

In Sachen der geplanten internationalen Weltausstellung
Berlin 1930 hat der Kunstgewerbeverein die maßgebenden
Regierungsstellen über die für Süddeutschland und für Baden
notwendigen Schritte unterrichtet.

Die Ausstellung „Licht und Farbe" Essen ist auf 1928 ver-
schoben. Wir werden weiter Fühlung mit der dortigen Aus-
stellungsleitung halten.

Das Badische Landesgewerbeamt wird auf unsere Initiative
hin die zurzeit in Essen weilende Ausstellung von Arbeiten der
Wiener Akademieschüler von Professor Behrens nach Karls-
ruhe kommen lassen.

Im April 1927 ist vom Bad. Landesgewerbeamt eine Aus-
stellung über Friedhofskunst und Friedhofsanlagen geplant.
Nähere Unterlagen können, soweit sie nicht schon direkt vom
Bad. Landesgewerbeamt zugesandt sind, von dort bezogen
werden.

Für das laufende Winterhalbjahr beabsichtigt der Badische .
Kunstgewerbeverein in Arbeitsgemeinschaft mit dem Badischen
Kunstverein eine Anzahl Vorträge zu veranstalten. Einladungen
erfolgen von Fall zu Fall. Der Leiter des Bauhauses Dessau,
Professor Gropius, hat für Anfang nächsten Jahres einen Vor-
trag zugesagt.

Die Vorarbeiten zum Jahrbuch sind abgeschlossen. Es wird
demnächst in Druck kommen.

Wir hoffen, daß bei den bedeutenden Kosten, welche durch
die Verlegung unserer Geschäftsstelle und durch die Einrich-
tung der Ausstellungs- und Verkaufsstelle entstanden sind, unsere
Mitglieder uns auch insofern unterstützen, daß die noch aus-
stehenden Beiträge für das Geschäftsjahr 1926 möglichst bald
unserem Postscheckkonto Nr. 5754 überwiesen werden.

Anschrift: Badischer Kunstgewerbeverein E.V. Karlsruhe,
Baden, Waldstr. 3 part. Tel. 2682.

Deutsche Weltausstellung. Der Versuch, eine deutsche
Weltausstellung mit dem Thema „Die neue Zeit" unter Führung
einer kleinen radikal eingestellten Gruppe vorzubereiten, ist
trotz großem Entgegenkommen des Oberbürgermeisters von
Berlin vorläufig eingestellt worden. Es hatte sich mit Recht
allseitiger Widerspruch, namentlich der Architektenschaft, da-
gegen erhoben, daß man eine so große Unternehmung, die schon
mit Rücksicht auf den erforderlichen Kostenaufwand, noch mehr
aber aus ideellen Gründen nur als große gesamtdeutsche
Kundgebung gedacht werden kann, nicht auf eine solche
breitere Basis stellen wollte. Indessen drangen die maßgebenden
Stellen ohnehin bald mit der Feststellung durch, daß das heutige
Deutschland sich eine Weltausstellung nicht leisten könne, in
führenden industriellen Kreisen steht man dem Gedanken einer
solchen schon deshalb ablehnend gegenüber, weil man nachteilige
Wirkungen für unsere wirtschaftliche Abhängigkeit voraussieht

Der Verband deutscher Kunstgewerbe-Vereine plant
eine Organisationsänderung. Nachdem bereits auf der Dresdener
Tagung im September d. J. der Vorort von Berlin nach Danzig
verlegt worden ist, soll nun außer dem Vorort ein Arbeitsaus-
schuß ins Leben gerufen werden, der die Arbeit des Verbandes
organisiert und leitet. Er soll dem Vorsitz des jeweiligen Vororts-
Vorsitzenden unterstellt werden und sich aus Persönlichkeiten
verschiedener Vereine zusammensetzen, die auf der nächst-
jährigen Tagung gewählt werden. Für diese Gruppe von Ver-
trauenspersonen ist periodische Erneuerung in Aussicht ge-
nommen. Die Tätigkeit des Arbeitsausschusses ist als eine vor-
bereitende, anregende gedacht, er wird der jährlichen Delegierten-
tagung Vorschläge vorlegen, die dann nach Billigung in Vollzug
zu setzen und über deren Durchführung wiederum nach Jahres-
ablauf zu berichten ist. Auch dieser Organisationsplan wird auf
der nächstjährigen Tagung zur Beschlußfassung gestellt. Er zeigt,
wie schwierig es ist, für den großen Verband, der sich über das
ganze Reich verteilt und dessen Einzelvereine nach Größe und
Arbeitsweise ziemliche Verschiedenheiten aufweisen, eine Spitze
zu bilden, die billigen Wünschen der Verbandsmitglieder Rech-
nung tragen, dabei aber rechtzeitig handeln soll. Auch ist
es fraglich, ob die beabsichtigte Organisation der letzteren For-
derung wird genügen können.

Wie die Verhältnisse der Kunstgewerbevereine einmal liegen,
wird ein gesamtdeutscher Verband weniger der Interessenver-
tretung als der Abhaltung alljährlicher Tagungen und damit der
Klärung von Zeitfragen dienen können und deshalb besser als
periodischeVeranstaltung, nicht als dauernderVerband aufgezogen.

VERLAG: FÜR DIE ARBEITSGEMEINSCHAFT SÜDD. KUNSTGEWERBE-VEREINE DER VORORT: BAYER. KUNSTGEWERBE-VEREIN, MÜNCHEN.
PFANDHAUSSTRASSE 7 • SCHRIFTLEITER: DR. PAUL DANZER, MÜNCHEN, LUDWIGSTRASSE 26, III
DRUCK: JOH. HAMBÖCK, MÜNCHEN. SCHÖNFELDSTRASSE 13.
ERSCHEINT ZU BEGINN JEDES GERADEN MONATS. ZU BEZIEHEN VOM VERLAG. PREIS DER NUMMER 20 Pfg.
 
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