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Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft Süddeutscher Kunstgewerbevereine — 1.1926

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Rücklin, Rudolf: Juwelenschmuck
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Tagung deutscher Kunstgewerbe-Vereine in Dresden 4.-6. September 1926
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https://doi.org/10.11588/diglit.9334#0003
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aus dem die Montierung, die Fassung und Zusammen-
fügung der Steine hergestellt wird. Die Form der Steine
war bis vor kurzem noch ausschließlich rund. Äußerlich
unterschieden sie sich nur durch die Größe, von der
Größe einer Erbse etwa bis zu der eines Stecknadel-
kopfes. Jetzt werden Brillanten auch dreieckig, quadra-
tisch und langviereckig geschliffen. Die letzte inter-
nationale Kunstgewerbeausstellung in Paris hat ja gerade
auf diesem Gebiete umwälzende Neuerungen gebracht,
die zunächst rein technischer Natur sind, sich aber
in neuen künstlerischen Möglichkeiten als bedeutsam
erweisen.

Wir haben vorhin davon gesprochen, daß der aus-
gefaßte Juwelenschmuck keine eigentlich plastische Wir-
kung hervorbringen könne. Damit ist natürlich nicht
gesagt, daß er auf die reine Flächenform angewiesen
wäre. Im Gegenteil, der plastische Aufbau eines Juwelen-
schmuckes ist von hoher Bedeutung für die geschmack-
liche Wirkung des fertigen Stückes. Diese geschmack-
liche Wirkung setzt sich zusammen aus den Formen,
zu denen die verschieden großen und verschieden ge-
formten Steine zusammengesetzt sind, und aus den
Metallteilen sowie aus dem plastischen Aufbau des
ganzen. Die gebaute Form stellt sich nicht einfach in
Licht und Schatten dar, nicht in verschiedenen, bestimmt
gegebenen Farbtönen, sondern in einem je nach der
Größe der Steine verschieden gearteten Geflimmer und
Gefunkel, wozu noch die ruhigere und präzis zeichnende
Wirkung des Metalles tritt.

Der Entwurf, der zeichnerische Aufbau des Juwelen-
schmuckes ist somit höchster künstlerischer Durch-
bildung, der apartesten Eleganz, der eigenartigsten Er-
findung fähig. Es kann gar keine Rede davon sein, daß
hier nicht Aufgaben gestellt sind, welche einem feinen

und selbständig schaffenden Künstlergeiste bearbeitens-
wert erscheinen müßten. Der Künstler muß allerdings
in hohem, in noch höherem Grade als sonst im Kunst-
gewerbe, die Selbstverleugnung besitzen, sich als Diener
am Material zu fühlen. Als Diener an einem Material,
das im Rohstoff schon das kostbarste Arbeitsmaterial der
Welt darstellt, und das durch den Schliff dann bis zu
einem Grade entmaterialisiert wird, daß es in Licht-
funken und Farbengarben sich aufzulösen scheint. Der
Diamant als kunstgewerblicher Arbeitsstoff gibt seine
Selbständigkeit niemals auf und verlangt unbedingte
Berücksichtigung seiner Eigenart.

Eine kunstgeschichtliche Tradition besitzt der
Juwelenschmuck nicht oder kaum. Was wir heute unter
Juwelenschmuck verstehen, existiert noch kaum seit
130 Jahren, wenn wir die Verwendung des Platins mit
hinzunehmen, kaum seit 40 Jahren. Unsere Museen
enthalten keinerlei Vorbilder darüber. Zu den künst-
lerischen Bedürfnissen des Menschen aber gehört es,
Glanz und Gefunkel zu den Zwecken persönlichen
Schmuckes in künstlerische Form zu bringen. Das
zeigt die Kunstgeschichte des Schmuckes, und der
heutige Juwelenschmuck ist nur die bisher höchste
Ausprägung dieses Bedürfnisses.

Eine Parallele zum Juwelenschmuck finden wir in
der Innenarchitektur in der Verwendung geschliffener
Glasstücke zu Behängen an Kronleuchtern und Beleuch-
tungskörpern. Wenn auch das Material ein anderes ist,
so ist die Art der Materialverwendung und die künst-
lerische Materialwirkung die gleiche: Glanz und farbiges
Gefunkel zur Form geordnet. Diese Aufgabe zu lösen
erfordert künstlerische Kräfte; das Gebiet des Juwelen-
schmuckes ist ein Teil der neuzeitlichen Zierkunst, der
volle Beachtung erheischt. R. Rücklin, Pforzheim.

Tagung deutscher Kunstgewerbe-Vereine in Dresden

4.-6. September 1926.

Am 4. September beging der Dresdener Kunst-
gewerbeverein das Fest seines 50jährigen Bestehens
durch einen Abend im oberen Saal des Belvedere auf
der Brühl'schen Terrasse, dem die Vertreter der Reichs-,
Staats- und städt. Behörden, des sächsischen Königs-
hauses, ferner zahlreicher Vereinigungen, u. a. auch aus
dem Auslande anwohnten. Einem Rückblick auf die
langjährige Arbeit des Vereins folgten Glückwünsche zu
dem seltenen Fest, musikalische und künstlerische Dar-
bietungen verschönten den Abend, der in später Stunde
in Tanz überging. Die Teilnehmer erhielten eine köst-
liche Erinnerungsplakette von Böttcher-Porzellan als
Angebinde. Möge dem verdienten Verein auch weiterhin
Blühen und Gedeihen und ein langes segensreiches
Wirken beschieden sein!

Das Jubiläum war Veranlassung, die diesjährige
Tagung der deutschen Kunstgewerbevereine in Dresden
abzuhalten, eine Lösung, die um so mehr zu begrüßen
war, als den auswärtigen Teilnehmern dort auch in der
Gartenbau-Jubiläums-Ausstellung und Internationalen
Kunstausstellung Genüsse außergewöhnlicher Art ge-
boten wurden. Die Veranstaltung begann mit einer
öffentlichen Tagung in der Kunstgewerbeschule, die
leider dadurch eine Einschränkung erfuhr, daß Prof.
Dr. Peter Behrens und Dr. Wienbeck - Hannover nicht
erschienen, deren Referate deshalb ausfielen. Prof.Wolff-
Halle sprach über Kleinbetrieb und Großbetrieb in der
Gewerbekunst und zergliederte dabei Begriffe und Auf-

gaben der beiden Betriebsarten, um die Mahnung zu
gemeinsamer Arbeit zu erheben. Es schloß sich ein
Frühstück im Garten an, der Nachmittag war der
Gartenbau-Ausstellung gewidmet.

Am 6. September fand eine Sitzung der Verbände
statt, in der Prof. K. Groß das Thema behandelte: „Was
wollen und sollen die deutschen Kunstgewerbevereine".
Der Vortragende gab einen Rückblick auf die Entwick-
lung des kunstgewerblichen Schaffens in Deutschland,
der in der Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzte und über
die Wandlungen der 80er- und c;oer-Jahre und die
Gründung des Werkbundes bis in die Gegenwart führte,
er schälte aus diesen Vorgängen die Aufgaben der Kunst-
gewerbevereine heraus und rief zur Kleinarbeit, aber
auch zur Werbung für den Qualitätsgedanken auf, worauf
eine Aussprache folgte. Die anschließende Delegierten-
sitzung führte u. a. zur Wahl Danzigs als Vorort des
Verbandes deutscher Kunstgewerbevereine.

Mittags fand als Abschluß der Tagung ein festlicher
Empfang der Delegierten seitens der Stadt Dresden im
Rathause statt.

Die Tagung, die allen Teilnehmern schon wegen
der genußreichen Stunden und der herzlichen Aufnahme
in bester Erinnerung bleiben wird, brachte in den Refe-
raten und in der Aussprache, aber auch im gegenseitigen
Meinungsaustausch viel Bemerkenswertes, worauf an
dieser Stelle noch ausführlich zurückzukommen sein wird.
 
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