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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 5.1906

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Nr. 3
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Widmer, Karl: Zur Charakteristik des Biedermaierhauses
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Halm, Philipp Maria: Peter Birkenholz
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https://doi.org/10.11588/diglit.20726#0095
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Peter Birkenholz

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theoretischen Schularchitektur früh verkümmert.
Damit ist aber sein Einfluss auf die Gegenwart
nicht abgeschlossen. Es dient noch als überkom-
menes Erbe dem Gebrauch der lebenden Generation,
und in unseren Tagen beginnt auch seine künst-
lerische Tradition wieder aufzuleben. Hier wo der
Faden der natürlichen Entwicklung abgebrochen
wurde, scheint auch der natürliche Anknüpfungs-
punkt einer neuen Entwicklung gegeben. Immer

entschiedener wendet sich unser moderner Ge-
schmack einer Richtung zu, in welcher die aus dem
Empire hervorgegangene Formenwelt des Bieder-
maierstils schon einmal Vorbildliches geschaffen
hat. Das deutsche Wohnhaus der Zukunft empfängt
immer entschiedener die Züge einer allernächsten
geistigen Verwandtschaft mit der letzten Charakter-
form des deutschen Bürgerhauses, welche uns die
Vergangenheit überliefert hat. V

PETER BIRKENHOLZ

VON DR. PHILIPP M. HALM, MÜNCHEN

Welchem Architekten wäre es vor fünfzehn, zwan-
zig oder dreissig Jahren zum Nachteil, als
Verkleinerung seines Könnens, als Verminderung
seines künstlerischen Eigenwertes sonderlich hoch
angerechnet worden, wenn man ihm Stück für Stück
alle jene Motive und Motivchen — von der ganzen
Raumdisposition an bis zum letzten Schlüsselblech —
vorgezählt hätte, die da für ein neues von Künstler
und Laie gleich angestauntes Werk Pate gestanden
hatten. Im Gegenteil, man begrüsste den, der etwas
vergessenes Altes zu neuem Leben — will sagen
zu neuem Abklatsch — brachte, als einen ganz be-
sonders feinen Pfadfinder und Bahnbrecher. Ge-
wiss, es war ein gewisses Verdienst dabei, solch
unbekannte Schätze zu heben, aber schliesslich
hatte doch eigentlich die Kunst viel weniger von
all den Schürfungen nach Edlem und Echtem, als
vielmehr die Kunstwissenschaft. Zog zunächst der
Architekt damals noch mit dem Skizzenbuch durchs
Land zu reichen Beutezügen und verarbeitete er dann,
was er gefunden, so gab das am Ende wenn auch
nicht etwas Persönliches, so doch meist etwas von
den Werken der Andern sachlich Verschiedenes.
Als aber einmal die grossen Tafelwerke von Aussen-
und Innenarchitekturen aller Stilepochen erschienen,
und so die alten Schätze Gemeingut aller wurden,
da verwässerte sich die anfangs noch von einer
Art Ursprünglichkeit zeugende Kunstweise immer
mehr. Gab es nicht Lehrer, die ängstlich solche
Eselsbrücken vor ihren Schülern verschlossen ; nicht
etwa, dass diese zu selbständigem Fühlen und Schaffen
erzogen würden, sondern damit sie nicht glücklicher
in der Wahl der Motive wären als der Meister und
damit dessen künstlerische Oberherrschaft und Auto-
rität nicht gar zu früh des fadenscheinigen Mäntel-
chens seines angelernten Könnens entkleidet würde.
V Wie anders heute! Suchte man ehedem das
Heil der Wohnung und ihrer Einrichtung in dem
Zauber der Vergangenheit und in romantischen

Reizen, so weiss man jetzt die Gegenwart als den
in erster Linie grundlegenden Faktor zu berück-
sichtigen: die Gegenwart mit all ihren Forderungen
und Bedürfnissen nach Gesundheit, Reinlichkeit,
Bequemlichkeit, Stimmung, Ruhe und Persönlich-
keit. Persönlichkeit fordert man in zweifachem
Sinne. Nicht allein, dass der Raum seinem allge-
meinem Zwecke, dem Wesen, dem Berufe, der
Stellung seines Bewohners sich anschmiege, sodass
Mensch und Raum sich zu einem harmonischen
Ganzen fügen; man fordert vor allem auch, dass
der Wohnungskünstler, ohne sich wie das wohl früher
geschah, vorzudrängen, in seiner eigenen persön-
lichen Sprache zu uns rede. Wer vermöchte aus den
Werken des letzten Viertels des letzten Jahrhunderts
- und seien es die besten - - die Persönlichkeit
ihrer Schöpfer zu bestimmen, wie man etwa ein
Bild einem und gerade nur diesem Meister zu-
schreiben kann. Das aber verlangt die Gegenwart,
so gut wie es die wahre Kunst überhaupt verlangte,
als sie nicht der Nachahmung und dem Eklektizis-
mus anhing. Und lässt nicht gerade trotz allem
Streben nach Einfachheit, das Vielgestaltige die
Moderne so anziehend und reizvoll erscheinen?
Alle streben dem gleichen Ziele zu, zweckmässig
und materialecht und damit zugleich schön zu arbei-
ten, aber jeder sucht das Ziel auf einem andern
Wege zu erreichen durch verschiedenartige Kom-
binierung verschiedener Materialien und Tech-
niken. Jeder strebt, etwas anderes aus Aufgabe
und Stoff herauszuholen. Wieviel kräftige Eigen-
arten hat uns die moderne Möbelkunst schon ge-
schenkt! Es ist eine Freude zu sehen, wie sie auf
den Plan drängen, diejungen, Kühnen, Wagemutigen,
nicht belastet mit Angelerntem und Ueberkom-
menem. Sie fragen nach nichts als nach der Auf-
gabe und spüren der Lösung mit unbefangenem und
ungetrübtem Blick nach, ohne nach rechts und
links zu schauen. Greifen wir heute einen ihrer
 
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