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DAS GESCHÄFTS- UND BUROHAUS „KAISERECK“ VON
ARCHITEKT EMIL SCHAUDT, BERLIN
Von Max Wagenführ

Die Bebauung der „Kaiserecke“ erforderte viel
Takt und städtebauliche Klugheit. Die Nach-
barschaft der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche
gebot Rücksicht und Ehrerbietung, das Beispiel
der anderen „romanischen“ Ecken schreckte und
der Auguste-Viktoria-„Platz“ beanspruchte, wenig-
stens bei einigen Kritikern, eine Wandung (um
seine Bezeichnung zu retten). Schaudt tat, was
ihm sein künstlerisches Gefühl gebot. Die Kirche
Schwechtens wirkt um so reiner und selbstän-
diger, je weniger sich mit ihr die Umgebung zu
einer Baugruppe zusammenschließt, die ein Haus
weiter unorganisch endet. Deshalb ging er nicht
über leise romanische Anklänge hinaus, blieb im
übrigen aber selbständig und schuf mehr Rahmen
als Bild. Die Absichten Schaudts werden am deut-
lichsten, wenn man von den Ausstellungshallen her
zwischen Kirche und Romanischem Haus hindurch
das Gebäude betrachtet. Man empfindet dann wohl-
tuend die vornehme Ruhe und Würde, die der
Kirche die beste Reverenz erweist. Der mächtige
Rundbau ist an sich stark genug, ein solches Selbst-
bescheiden zu tragen. Die Platzwirkung kommt
allerdings nicht zustande, das war unmöglich an
einer Stelle, wo sechs Straßen zusammenlaufen,
eine Kirche den Platz ausfüllt und eine Seite (am

Zoologischen Garten) ohnehin offen ist. Wollte
man nicht die Rankestraße überbrücken und zu-
bauen, so blieb nur übrig, die ganze Anlage in eine
bewegte architektonische Gruppe aufzulösen. Für
Schaudt kam noch die besondere Erwägung hinzu,
daß ein eckiger Bau eine Hauptfront nach der Kirche
und eine Nebenfront nach der Rankestraße mit
weniger wertvollen Läden ergeben hätte. Die Rund-
gestaltung zog die letzten Läden noch in den Bereich
des Hauptverkehrs, der an dieser Stelle auch nicht
in gerader Richtung vorbeiflutet, sondern schräg
auf die Ecke zu. Der Rundbau orientiert nun das
Auge geradlinig auf die Front.
Die architektonische Durchführung zeigen die
Ansichten. Das Material ist Muschelkalkstein, was
auch die Loslösung von dem Romanismus der
Gegend begünstigt. Der ornamentale Schmuck
wurde von Bildhauer Giesecke ausgeführt, die
Figuren stammen von Vierthaler in Hannover.
In den beiden entsprechend architektonisch ab-
gesetzten Untergeschossen sind Läden und Re-
staurants untergebracht, die Obergeschosse ent-
halten Büroräume, die zurzeit von der Reichs-
getreidegesellschaft bewohnt werden. Die Innen-
architektur wird hauptsächlich durch keramische
Kunstwirkung getragen.



Bildhauer Heinrich Giesecke, Berlin-Charlottenburg
Schlußsteine in Muschelkalkstein von den Fassaden des Hauses „Kaisereck“

MOD. BAUFORMEN 1916. I. 1

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