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Albert Eitel, Stuttgart.
Die Friedhofkapelle zu Gaildorf
NEUE BAUTEN VON ALBERT EITEL
Von Paul Wittko

Nie werden unsere Künstler und Kunstfreunde
aufhören, der Antike zu huldigen und ihrer im
wesentlichen folgsamen Tochter, der Renaissance.
Der verstorbene amerikanische „Schwefelkönig“
Hermann Fräse h wollte in seinem württembergi-
schen Heimatstädtchen Gaildorf seine letzte Ruhe
finden, und zwar in einer Grabhalle, die der von
Salucci in den zwanziger Jahren des vorigen Jahr-
hunderts auf dem Wirtemberg bei Stuttgart für König
Wilhelm I. und seine Gemahlin erbauten ähnlich
sehen sollte. Der Stuttgarter Architekt Albert Eitel
erhielt den Bauauftrag. Er schuf im Anschluß an
den bestehenden Gaildorfer Friedhof eine baum-
und rasenumhegte Begräbnisstätte mit einem stei-
nernen Rundbau, der von einer hohen Kuppel über-
wölbt wird und den, im Gegensätze zu dem erwähl-
ten Vorbilde, eine wohl proportionierte Oberlicht-
laterne krönt. Die Rotunde hat auf drei Seiten
Vorhallen mit griechischen Giebeln, die von
schlanken jonischen Säulen getragen werden. Breite
Stufen führen zum ernst und schlicht gestalteten
Haupteingang. In den edlen und feierlichen Formen
eines antiken Tempels gehalten ist die Kapelle, die
sich von dem Fehler geistlosen Nachahmens frei
hält, von einer Vornehmheit und Würde und von
jener in sich vollendeten Harmonie, wie sie einigen
italienischen Kirchen der Frührenaissance eigen ist.

Sie fügt sich zugleich mit ästhetischer Reinheit in
die wellige Landschaft des Kochergebietes mit ihren
kuppelförmig ansteigenden Höhen, die den wirk-
samen Hintergrund für das Gelände abgeben, dessen
Reize eine Lindenallee und Zypressen sowie weitere
gärtnerische Anlagen erhöhen werden.
Die Wohnhäuser, die Eitel in den letztenjahren in
Stuttgart baute, vereinen Zweckmäßigkeit mit künst-
lerischem Blick. Sie haben alle etwas anheimelnd
Behagliches, ein feines Form- und Proportionsgefühl,
das immer eine gewisse Vornehmheit atmet. Schon
die Grundrisse sowohl auf der „gut geschnittenen
Ecke“ des Hauses Schiedmayer wie bei den zwi-
schen zwei Straßen gelegenen Häusern v. Starkloff
und Franck zeigen glückliche und mühelose Ein-
fügung in die besondere Art der Baustellen, und
innere organische Einheit. Sie haben alle gute Ge-
schlossen heit, und bei der Vorderseite des schlößchen-
artigen Hauses Franck, das er aus weißem Donau-
kalkstein errichtete, um ihm schon im Aeußeren eine
heitere Note zu verleihen, ist doch eine gewisse Ruhe
der Maße vorhanden trotz der Verschiedenartigkeit
der Fenster des repräsentativen Unter- und desdurch
Klappläden frieshaft gedachten Obergeschosses.
Diese Ruhe erklärt sich aus dem sicheren Sinne
für zierratlose Gediegenheit. So strömt hier aus
zwei widerstrebenden Elementen eine schöne Har-

MOD. BAUFORMEN 1916. II. 1

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