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Karl InderMühle, Bern
Das „Dörfli“ der Schweizerischen Landesausstellung zu Bern

DIE KIRCHE UND DER FRIEDHOF DES „DÖRFLI“ DER SCHWEIZERISCHEN
LANDESAUSSTELLUNG ZU BERN 1914

Der Ausbruch des Völkerkrieges im August 1914 hat auch
den Erfolg der Schweizerischen Landesausstellung 1914
in Bern beeinträchtigt. Nicht den Erfolg im Lande selbst,
denn die fleißige, sorgsame disziplinierte Arbeit, die hier
geleistet und gezeigt wurde, entbehrte nicht des bleibenden
Eindrucks; wohl aber den Erfolg außerhalb der Grenzen des
Landes, wo Niemand mehr Zeit und Lust hatte, sich mit wirt-
schaftlichen, industriellen und künstlerischen Fragen zu be-
schäftigen. Der gewaltige Krieg hatte aller Sinne im Bann!
So ist die Fülle von vorbildlichen Leistungen und Anregungen,
die in Bern in jenem Sommer des Kriegsbeginns gezeigt
werden sollte, auch in Deutschland fast ganz unbeachtet
geblieben und daher ist es wohl berechtigt, jetzt wo die
gesammelteren Verhältnisse ein Interesse an baukünst-
lerischen Fragen langsam wieder ermöglichen, auch nachträg-
lich noch in diesen Blättern wenigstens auf die eine Bau-
gruppe der Ausstellung hinzuweisen, die in Aufbau und
Gestaltung besonders glücklich war, das „Dörfli“, und in ihm
auf Kirche und Friedhof, den Mittelpunkt der Anlage,
mustergültige Meisterleistungen.
Hermann Röthlisberger hat im „Werk", der trefflichen
schweizerischen Zeitschrift für Baukunst, Gewerbe, Malerei
und Plastik, dem offiziellen Organ des „Bundes schweize-
rischer Architekten“ und des „Schweizerischen Werkbundes''
ausführlich über die Bauanlage berichtet. Seinen Ausfüh-
rungen sei das Nachstehende entnommen:
„Nach schweizerischen demokratischen Grundsätzen war
eine Anlage der Ausstellung (nicht Ausführung der Bauten)
aus einem Willen heraus ein Ding der Unmöglichkeit. Des-

halb war es Aufgabe der Architekten, die eine Baugruppe
zugeteilt erhielten, diese als möglichst geschlossene Anlage
von einem bestimmten Charakter auszubauen. Und überall
da, wo dieser Wille lebte und unbehindert zum Ausdruck
gelangen konnte, da kam etwas zustande, dem man die Freude
des Schaffenden anmerkte. Und etwas von dieser Freude ging
auf jeden ernsten Besucher über, der im genauen Hinsehen
und Verweilen mehr und mehr die Absicht des Architekten
im ganzen, wie in jedem Einzelstück entdeckte. Unbeküm-
mertes Arbeiten dieser Art lag auch in den Bauten des Berner
Münsterbaumeisters K. InderMühle, dem die Aufgabe zuge-
fallen war, auf dem höchsten, östlich gelegenen Platz des
Ausstellungsgebäudes, den Werken schweizerischer Glasmaler,
Maler, Bildhauer und Kunstgewerbetreibenden im Gebiet der
kirchlichen Kunst ein Obdach zu schaffen. Gerade weil
InderMühle Hüter des Alten ist und so mancher bernischen
Landkirche wieder ein schmuckes, ehrbares Aussehen verliehen
hat, erwarteten sicher viele von ihm einen heimischen Kirchen-
bau mit dem gotischen Helm irgend eines bernischen Turmes
bekrönt. Da zu der Gruppe 54 noch die Aufgabe sich hin-
zugesellte, ein Muster- und Bauerngehöft zu schaffen, so lag
der Gedanke nahe, das Ganze als Dorfanlage zu ordnen.
Eine Attraktion im Sinne von Paris, Genf oder Alt-Leipzig
1913. Dadurch hätte der Architekt sich die Arbeit erleichtern
können; er hätte Kopierarbeit geleistet, sich die einzelnen
Entwürfe bis zu den Türen und Fenstergittern ersparen können.
Die Handwerker wären auf alte Beispiele verwiesen worden;
ein altes Wirtshausschild hätte er herbeigeholt. Und da-
durch wäre ihm der ehrlichste Dank vieler Heimatschutzleute,
 
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