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der Freunde der Erhaltung und Renovation, all der Leute,
für die die Kunst nur bis zur Gotik oder bis zur Renaissance
Geltung hat, gesichert worden.
Die Notwendigkeit, diese frommen Wünsche in den Wind
zu schlagen, ergab sich aus den Forderungen der Aussteller
und aus dem baugedanklichen Willen des Architekten selbst
heraus. Die Fachleute des Bauernstandes hegten kein Ver-
langen nach einem währschaften Bauernhaus mit breiter Stirn;
sie wollten eine Teilung in Wohnung, Stallung und Scheuer.
Nun war es Sache des Architekten, aus dieser Forderung
heraus eine befriedigende Lösung zu gestalten. Er ordnete

und stellte quer dazu den Raum der Reformierten. Nach außen
hin war damit die Monotonie der Längsflucht durch die inter-
essante Winkelstellung behoben. Im Innern konnte mit dem
Eingang von diesem Winkel aus eine Lauflinie zwingend
gestaltet werden. Über dem Eingang, organisch aus dem
Winkel heraus, wurde der Turm errichtet. Fr betonte damit
das Portal und hielt die beiden Hallenbauten zusammen. Er
mußte als Glockenstuhl dienen; dazu hätte das Ausmaß eines
gewöhnlichen Kirchturms vollauf genügt. Der erste Entwurf
suchte auch diesem Dienst gerecht zu werden. Hernach zeigte
Glockengießer Rüetschi in Aarau Lust, ein Glockenspiel nach


Karl InderMühle, Bern
Aus dem Kreuzgang des „Dörfli“ der Schweizerischen Landesausstellung zu Bern

die drei Gebäude am Fuße des Hügels um einen Platz, den
er mit einem großen Brunnen zum Tränkeplatz herrichtete
und sorgte dafür, daß die drei Dächer in der Gruppierung
in Verbindung standen.
Da die Gegensätze in den beiden Glaubensrichtungen
unserer Kirchen in der Raumstimmung, in der Form der ein-
zelnen Gegenstände deutlich zum Ausdruck kommen, war
eine Aufstellung in gesonderten Hallen geboten. Dabei ging
der Architekt darauf aus, den Raum der katholischen Kirche
reich, groß, verdunkelt zu halten, denjenigen der reformierten
hell, in wenigen Farben, mit kargem Schmuck zu geben. Die
vorgeschriebene Bausumme gestattete nicht eine Aufführung
von völlig getrennten Gebäuden. So suchte denn der Architekt
die interessante Lösung, die beiden Räume in einer Gruppe
gleichsam unter einen Hut zu bringen. Er stellte das Längs-
schiff der Katholiken an die höchste Stelle des Bodens, verlieh
ihm im hohen, steilen Dach das Schwergewicht der Gruppe

flandrischen Mustern aufzustellen; der Gedanke wurde laut,
hier an höchster Stelle einen Aussichtsturm zu schaffen. Damit
wurden nun die Anforderungen an den Unterbau, an den
Treppenaufgang wesentlich größer. Oben mußte rings um
den Glockenstuhl genügend Raum frei bleiben. So wurde der
Turm vierschrötig im Unterbau, und darauf konnte aus der
Konstruktion heraus nur das Achteck Aufstellung gewinnen,
das dem Helm die Form vorschrieb.
Da nun noch ein Pavillon für das kirchliche Verwaltungs-
wesen verlangt wurde und der Überrest der geplanten Ge-
werbegasse in den Werkstätten einiger Heimarbeiter sich zu
dieser Gruppe rettete, lag es nahe, diese Gebäude den Kirchen-
bauten in einem Bogen vorzulagern. Der Pavillon wurde
hinten, als Abschluß, dem Eingang gegenübergestellt, die
Werkstätten mußten in niedrigen Bauten die Verbindung her-
stellen und in der Höhe doch den Blick auf die Kirchendächer
frei belassen.
 
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