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Religion und Philosophie.

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irdischen Gemäuer aller menschlichen Religion mehr und
mehr zugänglich gemacht worden sind, ja, ich hoffe, dass
diese Vorlesungen, die eröffnet zu haben ich mir zu hoher
Ehre anrechne, in Zukunft weit fähigere, weit beredtere
Arbeiter heranziehen werden, als ich sein konnte, und dass
die Religionswissenschaft, die uns jetzt nur erst wie ein
Samenkorn und eine Hoffnung erscheint, mit der Zeit zur
Erfüllung und reichen Ernte gedeihen werde.

Wenn diese Zeit gekommen, wenn die tiefsten Grund-
lagen aller Religionen der Welt aus dem Schutt heraus-
gegraben und in ihrer ersten Anlage begriffen worden
sind, wer weiss, ob nicht diese alten Mauern und Gewölbe,
wie einst die Katakomben oder die Krypten unter unseren
Kathedralen, eine Zufluchtsstätte werden können für Alle,
zu welchem Glauben sie auch gehören mögen, die sich
nach etwas Besserem, Reinerem, Aelterem, Wahrerem
sehnen, als was sie in den statutarischen Opfern, Gottes-
diensten und Predigten finden, welche die Zeit und der
Ort ihnen bieten, in denen ihr Loos auf Erden gefallen;
für Menschen, die gelernt haben, kindische Anschläge,
nenne man sie Geschlechtsregister, altvettelische Fabeln,
Mirakel oder Orakel, abzulegen, die aber vom kindlichen
Glauben des menschlichen Herzens nie lassen können.

Wenn sie auch viel zurücklassen von dem, was in
indischen Pagoden, in buddhistischen Yihäras, in moham-
medanischen Moscheen, in jüdischen Synagogen und christ-
lichen Tempeln gelehrt und verehrt wird, so kann doch
Jeder das mit sich in die stille Krypte hinabnehmen, was
ihm am meisten werth und theuer ist, die eine köstliche
Perle, für die er Alles, was er hatte, hingeben würde:

der Brahmane, seinen Unglauben an diese Welt, seinen
Glauben an eine andere Welt;
 
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