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Müller, Walther
Die Theseusmetopen vom Theseion zu Athen in ihrem Verhältnis zur Vasenmalerei — Göttingen, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.901#0048
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— 48 -

Kerkyon veranschaulicht. Der Held, nackt und unbewehrt, wie die
Palästra es fordert, schreitet nach links und ist im Begriff, den über-
wundenen Räuber, welchen er in der Luft zwischen seinen Armen
schwebend hält, auf den Rücken niederzuschleudern. Kerkyon, gleich-
falls nackt, sucht in seiner Todesangst instinktiv noch einen Halt am
Leibe des Gegners zu gewinnen, indem er mit der Linken dessen
rechten Fussknöchel umspannt und den rechten Arm um seinen Rücken
schlingt. Indess vergeblich! Die wagerechte Schwebe ist schon über-
schritten, der Schwerpunkt nach dem Oberkörper hinübergegangen,
die Beine zappeln haltlos in der Luft. Noch ein Ruck des Gegners,
und er wird sich nach links überschlagen, auf den Rücken niederfallen
und so völlig hülflos in die Hände seines Gegners gegeben sein. Fast
ebenso schön, wie in der Minotaurosmetope, ist auch hier wieder durch
das Entgegenwirken zweier feindlichen Kräfte ein dramatischer Effekt
verursacht. Nur wird die Überlegenheit der einen energischer betont,
als dort. Ausserdem tritt ein schöner Wechsel von Licht und Schatten,
eine merkwürdige Verschlingung der Linien, durch die Uberkreuzung
der Körper hervorgerufen, hier hinzu. In geschickter Weise ist rechts
der freie Raum durch die weit auseinander gerissenen Beine des Räu-
bers ausgefüllt. Bart und Haar desselben waren in Farben dargestellt,
wie es in den Skulpturen von Olympia nicht selten ist.

Auch diese That hat mannigfachen Ausdruck bei den Vasenmalern
gefunden:

1. Minotaur no. 71.

2. „ „ 95.

3. Marath. Stier no. 2.

4. Vase des Euthymides. Annal. 1870, tv. 0. P.; Klein Meister-
sign. p. 196.

5. Minotaur no. 86.

6. „ „ 87.

7. „ „ 93.

8. „ „ 94.

9. „ „ 80.

Mit Entschiedenheit ist dem Revers des Bildes Minot. no. 48 jede
Beziehung auf Theseus abzusprechen. Bei dem Ringkampf könnte
schon an Kerkyon gedacht werden. Wenn der Maler aber auf der
Vorderseite Theseus unbärtig darstellte, was veranlasste ihn, auf der
Rückseite davon abzuweichen? Der Übergang aber von der Bärtigkeit
des Helden zur Bartlosigkeit muss schroff erfolgt sein. Wenigstens
muss jeder Maler eine einheitliche Vorstellung von seinem Helden be-
sessen haben. Deshalb kann jener Kampf, wenn er nicht genrehaft
gemeint ist, nur auf Herakles und Antaios bezogen werden.
 
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