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Müller, Walther
Die Theseusmetopen vom Theseion zu Athen in ihrem Verhältnis zur Vasenmalerei — Göttingen, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.901#0051
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— 51 —

Rival mit Kerkyon, ohne dass freilich die Ursache oder der weitere
Verlauf damit in Einklang gebracht wäre. Den Theseus zwang nicht
die wunderbare Eigenschaft des Gregners, aus der Erde seine Kräfte
zu ziehen, zu jenem Verfahren, noch würgt er nachher den Unglück-
lichen in der Luft zu Tode. Jene blinde Nachahmungswut that sich
genug, die nackten Thatsachen aufzugreifen und nachzubilden; um
eine innerliche Verknüpfung der einzelnen Momente bekümmerte sie
sich nicht. Nachdem nun einmal der Weg vorgezeichnet war, konnte
Duris bei dem Momente der Handlung, den er gewählt, seinen Kerkyon
nicht gut anders gestalten, als er gethan. Ein hülfloses Ausstrecken
der Arme würde der menschlichen Natur und der zähen Kraft des
erprobten Ringers wenig entsprochen haben. So war es das Natür-
lichste, dass er den Arm um den Kücken des Gregners schlang. Nach
dieser Widerlegung denkbarer Einwände sind aber vor allem positive
Gründe ins Feld zu führen. Da muss gründlich betont werden, dass
von dem Leben und Feuer der plastischen Gruppe bei den Malern
auch nicht die leiseste Spur entdeckt wird. Es ist nicht anders, als
mit den übrigen Bildern: Gegenüberstellung der Kämpfer und Hervor-
hebung des künftigen Siegers. Vergeblich suchen wir nach jener un-
glaublich kühnen Lage Kerkyons, in welcher sich der Metopenmeister
selber übertroffen. Dazu ist nicht einmal ein gleicher Moment des
Kampfes irgendwo zur Darstellung gelangt. So müssen wir auch hier
der Metope eine Einwirkung auf die kimonische Periode absprechen.
Aber auch die Vase, welche uns nach analogen Fällen eine An-
lehnung an das Relief erwarten Hess, lässt uns im Stich (5). Hier ist
noch nicht einmal ein fester Griff gethan. Theseus, rechts gewendet,
stellt den linken Fuss vor, legt das Körpergewicht aber auf das ge-
bogene rechte Bein zurück, weil er den Kerkyon zu sich heranzieht,
mit dem linken Arm unter die Achsel desselben greifend, die Rechte
lose über seinen vorgestreckten linken Arm legend. Kerkyon, in
Rückenansicht, folgt mit der ganzen Wucht seines Körpers, nach links
weit ausschreitend, der heranziehenden Bewegung des Theseus, obwohl
er mit dem rechten Arme den Griff desselben zu lösen sucht. Auf
den ersten Blick scheint es, als ob der anscheinend leicht zurück-
weichende Jüngling der anstürmenden rohen Gewalt unterliegen werde.
Aber gerade der Gegensatz zwischen der elastischen Ephebengestalt
und dem auf seine physische Kraft vertrauenden, unüberlegt an-
dringenden Räuber, der sich dennoch willenlos der Absicht des Gegners
fügen muss, lässt keinen Zweifel, wem der Sieg beschieden. In der
nächsten Minute duckt Theseus das Haupt seines Feindes nieder,
zwingt die Arme unter dessen Brust, und der Kampf nimmt den Ver-
lauf, wie ihn die übrigen Vasenbilder vorgezeichnet. Rechts sind im

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