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Müller, Walther
Die Theseusmetopen vom Theseion zu Athen in ihrem Verhältnis zur Vasenmalerei — Göttingen, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.901#0054
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— 54 —

lim ihn zu zwingen, seinen letzten Stützpunkt fahren zu lassen. Wie
es der Natur entspricht, senkt Skiron den Kopf nach unten, und das
wildsträhnige Haar folgt dieser Bewegung.

War also, nach diesen Vasenbildern zu urteilen, Skiron an der
Stoa in dieser schwebenden Lage dargestellt, so ergriff der Meister der
Metope die Handlung bei einem früheren Momente: Theseus hat den
Gegner zwar noch nicht von dem Felssitz herabgedrängt, packt ihn
aber schon mit der Linken kräftig an der Gurgel und bringt ihn ins
Wanken, indem er mit der Rechten das eine Bein des Unholds vom
Boden gehoben. So ist dieser in eine schwankende Situation versetzt)
welche durch die Armhaltung vortrefflich gekennzeichnet ist. Der linke
hängt haltlos herab und sucht einen Stütz am Fels nahe über dem
Taschenkrebs, der unten auf sein Opfer lauert; die Rechte ist hoch
erhoben, als suche sie durch Balancieren das Gleichgewicht herzu-
stellen. Das Antlitz, tief gefurcht und von wirrem Haar und Bart
umrahmt, ist wohl erhalten. Im ganzen schliesst sich also die Metope
sehr eng an den voraufgehenden Typus an. Die Anordnung der
Glieder an sich ist total dieselbe geblieben. Nur den Moment änderte
der Künstler leise und liess dem malerischen Element, das in der
Reliefkunst schlummert, Recht widerfahren, indem er die Bewegungen
kühner und haltloser umschuf.

Es konnte nicht ausbleiben, dass auch diese lebensfrische Metope
zu Nachahmungen anregte. Hieher sind 8, 9 und 11 zu zählen. Von
8 allein liegt eine Abbildung vor, die uns in sehr späte Zeit weist.
Wenn der schmerbäuchige Skiron auch noch die Linke auf den Felssitz
stützt, die rechte nach vorne ausstreckt, so schliesst sich doch die
übrige Haltung beider Kämpfer der Metope an. An Nebenfiguren
sind Athena, ein Jüngling und rechts eine Frau, wohl Endeis, die
Tochter des Räubers, hinzugefügt. Die ganze Art der Zeichnung ruft
den Eindruck des Plumpen und Burlesken hervor. Die kurze Angabe
über 9 verschweigt Details.

Auch in der britischen Schale (14), wo von Anfang an eine Ein-
wirkung zu erwarten war, stellt sich die Haltung Skirons als ähnlich
dar. Obwohl Theseus ihn nicht ergriffen, hat er doch beide Beine in
die Luft gehoben, was durch nichts motiviert ist. Offenbar gab der
Maler, die Metope vor Augen, dem Skiron schlechtweg dieselbe
Haltung, ohne sich des Verstosses gegen die Natur bewusst zu werden.
Er übertrug sie dann auch auf Prokrustes (s. o.), der schon durch die
Anordnung zum Pendant Skirons bestimmt war. Denn die Zusammen-
stellung der Einzelthaten ist auf dieser Vase durch strenge Symmetrie
geleitet: hier Skiron und Prokrustes, einander zugewendet, in identischer
Stellung; dort Sinis und die krommyonische Sau, gleichfalls nach innen
 
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