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Münchener Bilderbogen — 1.[1848] Nro. 1-24

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Nro. 5
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https://doi.org/10.11588/diglit.51417#0010
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Herr Winter.

»

Wie der gestrenge Herr Winter sein Regiment
antritt, die Eisdecke bei stiller Nacht über den Strom
spannt und mit emsigem Fleiße ebnet und glättet.



Wie Herr Winter am andern Morgen bei dem Bauer eiukehrt
und sür seine Arbeit ein warmes Morgensüpplein begehrt.
„Was? den Winter auch noch füttern?" schreit der Bauer, „hinaus,
du kalter Gesell, aus meinem Hause, hier ist deines Bleibens nicht!"


Da trollt der Herr Winter gar traurig hinaus und
breitet eifrig den weißen Schnee über Weg und Steg.
Doch auch hier gibt's für ihn keine Rast, mit Schaufel
und Besen zerstört der Straßenkehrer sein mühsam Werk
und verjagt den silberbärtigen Alten.


„Geht's nicht auf dem Lande, so geht's in der Stadt," meint
Herr Winter. Doch wehe ihm, schon im ersten Bürgerhause, wo
er einkehrt, bindet eine rasche Dirne den Greis an den warmen
Ofen und Peinigt ihn mit der Hitze, bis er wütend vor Schmerz
seine Bande zerreißt und ins Freie stürmt.

Die Christnacht ist gekommen. Aus allen Fenstern erglänzt Heller festlicher Schein, und das Jubeln der
fröhlichen Kinder schallt hinaus bis auf die schneebedeckten einsamen Straßen. Da trippelt ein Männlein gar
eifrig einher und späht von Tür zu Tür, ob nicht jemand ihm öffne und den geschmückten Weihnachtsbaum
annehme als willkommene Spende. — Vergeblich! — keine Pforte geht auf, den einzulassen, der ja das
Christfest unter seiner Herrschaft begehen läßt von groß und klein.



Da entschließt sich Herr Winter auf deu Ball zu gehe» und bei dem Klang
der rauschenden Musik und im raschen Tanze sein Leid zu vergessen. Doch schon
an der Stiege des festlich geschmückten Hauses fliehen schaudernd die fröhlichen Gäste
seine Nähe und mit groben Worten weist der bärtige Türhüter den eisigen Gast
hinaus in die düstere Nacht.


So geht's dem Winter während seines ganzen Regiments, niemand
verstelltet ihm gastliche Einkehr. Wenn aber die Eisdecke bricht und
die warmen Sonnenstrahlen den Schnee von Berg und Tal verbannen,
da sucht der Alte das erste Schneeglöcklciu, das legt er dem Frühling
auf die schmucke Wiege und kehrt unter Sturm und Wetter in die
eisige Heimat zurück, bis wieder seine Zeit gekommen.

Münchener Bilderbogen.
14. Auflage.
(Alle Wechte Vorbehalten.)

Xl'Ä. ' 5.
Kgl. Hof- und Universitäts-Buchdruckcrei von Or. C. Wolf L Sohu in München.

Herausgegeben und verlegt von Braun L Schneider in Mü n ch en.
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