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Münchener Bilderbogen — 24.[1871] Nro. 553-576

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Nro. 574
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https://doi.org/10.11588/diglit.51588#0025
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Fran Meier strickt seit zwanzig Jahren
An einem Strnmpf für ihren Mann;
Sie kommt vom Fleck, wie ich erfahren,
Heut fängt sie jnst die Ferse an.


Beim Turnfest gingen jüngst in vr. Meiers Hans,
Das gänzlich überfüllt, die Fremdenbetten ans;
Verlegen sein wie heißt? das wäre abgedroschen,
fliesen sanft in Mcier's Glanzgaloschen.


Er stand allein ans weiter Flur
Und seufzte: „Göttliche Natur!"
Und sah die Sonne untergchen
Fern, fern am Rande seiner Zehen.


Es hat ein Dieb mit frevler Hand
Den Sticfclzieher ihm entwandt,
Und jetzt, o gottverworf'ne Sitten!
Benutzt der Schurke ihn als Schlitten.


„Herr Geometer, Gott zum Gruß,
Sie werden wohl im Feld verwendet?"
Nein! heute gilt's Herrn Meiers Fuß,
Sein Schuster hat mich hergescndct.

Herrn Meiers ftrosze Fütze.


Den herrlichsten Triumph
Erlebte Meiers Strnmpf.
Er ward beim jüngsten Braud
Als Rettungssack verwandt.


„Ich promenierte bei Berlin,
Und Pflückte Blümchen auf der Wiese,
Da trat ein Schuft, Gott strafe ihn,
Mir frech in Potsdam auf die Füße!"


Jüngst fiel sein Überschuh iu's Meer
Und trieb gemach zum Strande her;
„Ha," rief ein deutscher Seesoldat,
„Britannia's Panzerflotte naht."


Vor Allem, Kinder, laßt euch sagen:
Gebt Acht (nur weise Vorsicht frommt!) —
Daß ihr mir unter keinen Wagen,
Noch unter Meier's Stiefel kommt.


Beim letzten großen Opcrnball
Kam Meier hinterrücks zu Fall,
Und stieß — der Schreck war allgemein —
Mit seinen Zeh'n die Decke ein.

M nnch eil er Bild erb ogen.
' 5. Auflage.
lAlle Rechte vorbchalten.)

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Kgl. Hof- und llniversitüts-Buchdruckcrei von Oe. C. WolfLSohn in Münch en.

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„Was soll die große Säge hier?
Sieh doch, die könnt' ich grade brauchen!"
O bitte sehr, ich bin Barbier,
Und schneide Meiers Hühneraugen!


„Ich hab' ein Splitterchcn im Fnß,"
So klagend kam er einst nach Haus,
Und abends zog der Physikus
Drei Tannenbäume ihm heraus.


Wie thürmt sich wettersturingebrüunt
Der Felsblock dort empor!
„Das ist ein Absatz, lieber Freund,
Den Meier dort verlor."


„Was drückt mich im Stiefel? Ich zieh' ihn mal aus,
Ich werde den Schaden schon finden!"
Da hüpfte ein lustiger Hase heraus,
Um schleunig im Korn zu verschwinden.


Erinn'rnng schöner Tage schwebt
Verklärt an diesen Lilienbceten:
Er hat auf großem Fuß gelebt
Und ist energisch ausgetreten!

Herausgegebcn und verlegt von Braun L Schneider in München.
 
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