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Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst — 1.1906

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Bassermann-Jordan, Ernst von: Der Perseus des Cellini in der Loggia de' Lanzi zu Florenz und der Perseusbrunnen des Friedrich Sustris im Grottenhofe der Residenz zu München
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https://doi.org/10.11588/diglit.67745#0114
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Ern[t Baflermann-Jordan,

der Todeszuckungen zu fehen, ift wohlgemeint, aber unbefriedigend und nicht
überzeugend. Wahrscheinlicher ift, daß die Schwierigkeit, den liegenden Körper
in voller Entwicklung mit dem flehenden zur Gruppe zufammenzufchließen, den
Kleinplafliker Cellini dazu beflimmte, den Körper der Medufa an der Kompofition
überhaupt nicht teilnehmen zu laßen, fondern lediglich als Statuenbafls zu verwenden.
Gußtechnifche Schwierigkeiten mögen mitgefprochen haben, denn die Medufa ward
zuerfl, 1546, wie ein Verfuchsflück gegoffen, drei Jahre fpäter erfl der Perfeus,
und am 27. April 1554 wurde die Statue unter der Loggia enthüllt.
Als flünde er vor Polydektes und dem Volke von Seriphos, so drohend
hebt Perfeus das blutige Haupt empor, um alle, die es erblicken, auf dem
weiten Platje zu verfteinern. Aus einiger Entfernung wirkt die Figur groß und
flark und aus dem Sockel herrlich hervorgewachfen; bei näherer Betrachtung
aber erfcheint vieles hohl und pathetifch und manches unglaubhaft.
Vor allem flört die unglückliche Vereinigung von Manierismus und Eklektizis-
mus, wie sie an einem Werke der Malerei kaum je gefunden wird. Wie reizend
ist die Statuette in ihrem reinen, leisen Manierismus! Auch bei der Statue der
trotj des hohen Standortes viel zu kleine Kopf, der durch die kleinliche Frisur
und den koketten, flark detaillierten Helm nicht wefentlich natürlicher erfcheint,
auch hier die langen Glieder und der kurze Rumpf. Aber um der Geftalt
Heldenmäßigkeit zu geben, find befonders die Arme athletisch gebildet und die
Hand- und Fußgelenke koloffal: Michelangelos David fland zu nahe der Loggia,
als daß nicht Cellini an derfelben Klippe hätte Schaden nehmen follen, die fchon
Cellinis Gegner Bandinelli mit feinem Herakles fcheitern ließ und fpäter auch
Ammanati gefährlich werden follte. Wundervoll ift der Rumpf durchgebildet in
feiner herrlichen Nacktheit, und doch — halb um das Spiel der Muskeln zu
betonen, halb um die Furcht des Goldfchmiedes vor den gewaltigen Flächen zu
meiftern — zieht fleh ein Schwertband von der rechten Schulter zur linken Hüfte.
Oder foll es nur das Tragband für Cellinis Namen fein? Kein Meifter bis ins
neunzehnte Jahrhundert hat je fo eitel flgniert.
Am Sockel zeigt fleh Cellini ganz als erprobter Meifter der Kleinkunst. Die
Ornamente find faft goldfchmiedmäßig behandelt in einem frühen, tändelnden
Barockstil, der manchmal an quattrocentiftifche Formen gemahnt. Die Neben-
figuren des Mythus: Danae und Jupiter, Athena und Hermes, die bei antiken
Perfeusdarftellungen oft gleichwertig neben den Hauptperfonen erfcheinen, find in
die Sockelnifchen verwiefen; darunter in Relief die Befreiung der Andromeda.
Die vier Bronzeftatuetten in ihrem reinen römifchen Manierismus, dem wunder-
vollen Materiale, das durch jahrhundertelangen Aufenthalt im Freien und fletes
Angefaßtwerden eine unvergleichliche Patina erhalten hat, gehören zum beften
von dem leider wenigen, was uns von Cellinis Werken geblieben. Drei Figuren
find nackt und von jchönfter, forgfältigfler Durchbildung; die antike Nacktheit des
Hermes und die unantike der Athena ift durch Beifchriften motiviert. Auf die
Schwächen des Andromedareliefs hat fchon Hildebrand') hingewiefen.
') Problem der Form, S. 75. Das Originalrelief jetjt im Bargello, an Ort und Stelle eine
Bronzekopie.
 
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