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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 49.1889

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[Briefwechsel 10.Oktober 1803 - 15. Juni 1805]
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https://doi.org/10.11588/diglit.43108#0018
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Programm beilege. Alle Pariser Blätter vom Moniteur an bis zum Feuilleton hinunter haben das Fest
schon angekündet. Schultheiss v. Mülinen, der gegenwärtig bei uns regiert, kam zuerst auf den
Gedanken dieses Festes (das ich indess schon 1800 beinahe ganz so wie es werden soll, in dem
zweiten Heft unseres Zürcherischen Kunst- und Literatur-Journals in dem Aufsatz über das Kostüm
der Oberhasler Mädchen projektirt hatte). Ich bin ganz der Treiber dieser Volksfeste und lasse
silberne Medaillen darauf prägen, Lieder und Romanzen dafür komponiren und drucken. Sechs der
besten schweizerischen Kuhreigen mit Musik seufzen wirklich unter der Presse; eine historische
Anekdote aus unserer alten Geschichte, die das Fest motivirt, habe ich selbst in rhythmischer Prosa
entworfen, Frau Harmes1), sonst von Berlepsch, die hier ist, bringt sie in schöne metrische gereimte
Verse; ein Tafellied ist von ihr wirklich dazu, verfertigt; kurz, wir arbeiten mit allen Händen, dem
Ding Form und Gestalt zu geben. Obhart, der geschickte Holzschnitzer, der vorgestern hier bei
mir gewesen ist, schnitzt mir zwei Becher, aus denen am Fest grosse Gesundheiten sollen gebracht
werden. Die Schale des einen Bechers tragen die drei Schweizer und dienen so zum Fuss und zum
Anfassen. Auf der Schale des andern sieht man im Basrelief einen Hirten, der das Alphorn bläst,
einen Armbrustschützen, der in die Scheibe geschossen hat, zwei Ringer und einen Steinstosser. Als
Preis, wenn das Geld zureicht, werden spanische Schafe und Widder, immer zwei zusammen für die
6 ersten Preise, schöne neue Stutzer für die Scharfschützen, Partien prächtigen Flachses, schöner
Wolle und Ryste an die besten Sängerinnen, ausgetheilt werden. Miscuit utile dulci, soll’s dabei heissen!
In ein paar Tagen wird hier ein Buch in einem öffentlichen Bücherladen aufgelegt werden, worin
ein jeder, der an dem Fest Antheil nehmen und dazu sein Scherflein beitragen will, seinen Namen und
den Betrag, den er geben will, einschreiben kann. Wir nehmen auch auswärtige Beiträge an, um
die Sache recht ausgedehnt zu machen und Gemeingeist für edlere Dinge, als für politische Teufeleien
überall zu wecken. Man adressirt an Albrecht Haller, Sohn, Buchdrucker, in Bern. Auch Hallers
Alpen lasse ich apart drucken, um dieselben an die oberländischen Mädchen und Jünglinge auszutheilen
und dadurch in ihren Seelen edlere Ideen als an zu pflanzen. — Ich
hoffe, theuerster Freund, Sie werden, wenn Sie immer können, diesem Fest auch beiwohnen und Ihre
Gattin dahin bringen; ich mache dieselbe dann zu meiner Dame und sie soll den hübschen
Hirten, die Sieger in den neuen olympischen Spielen sind, die Kronen auf das Haupt setzen
Hess an Wagner.
Beckenhof, deu 23. März 1805.
Unsere Donnerstag-Gesellschaft
wird immer zahlreicher. C. Gessner is nun auch wieder hier, malt und radirt wacker darauf los und
hat in Lauterkeit der Färbung und in besserem Geschmack merklich gewonnen.
Usteri — dessen Handlungsassocié in Amerika leeres Stroh gedroschen hat — wird nun vermuthlich
sich ganz und ex professo der Kunst widmen und will nächstens anfangen zu radiren. Für die Kunst
ist diese Standesveränderung gewiss günstig, vielleicht auch für ihn selbst; doch glaube ich, er habe
es noch nicht gerne, wenn öffentlich davon gesprochen würde
danken wir auch die Zeichnung, welche wir mit gütiger Erlaubniss der Besitzerin, Frau Prof. Usteri-Trümpler, diesem
Hefte als zweite Illustration beigeben. Die weissgekleidete Dame, welche dem glücklichen Sieger den Preis umhängt, ist
Frau von Staël und in den beiden Herren haben wir wohl Sigmund Wagner selbst und den Schultheissen von Mülinen
vor uns. Auch der Obhart’sche Becher fehlt nicht in dem amüsanten Bilde.
>) «Madame Harmes, très connue en Allemagne par ses écrits sous le nom de Madame de Berlepsch». (Madame
de Staël, in der erwähnten Fest-Schilderung.)
 
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