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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 49.1889

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[Briefwechsel 10.Oktober 1803 - 15. Juni 1805]
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Ueber einige Kunstwerke auf der Ausstellung in Zürich im Mai 1805
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https://doi.org/10.11588/diglit.43108#0019
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Mittwoch den 15. Juni 1805.
.L’homme se propose et Dieu
dispose. Ich hatte angefangeu, Randglossen zum Katalog unserer diessjährigen Ausstellung für
Sie aufzuschreiben, aber ein tägliches Zuströmen aller Arten von Menschen unterbrach mich und nun
hatte ich, der doch keine eigentlichen Geschäfte hat, dennoch so viele Kleinigkeiten zu besichtigen,
dass ich nicht mehr damit fertig ward. Das sage ich Ihnen als eine Art von Entschuldigung. . . .

Ueber einige Kunstwerke auf der Ausstellung in Zürich im Mai 1805.
(Bruchstück.)
Wenn Sie auch lange zögerten zu kommen, so erwartete ich doch ganz gewiss, dass Sie, mein
theurer Freund, Ihren längst gehabten Vorsatz ausführen würden, um der Ausstellung beizuwohnen.
Aber die nähert sich schon wieder ihrem Ende — et Crillon, tu n’y étais pas !
Wenn es sich freilich auch nicht der Mühe lohnt, bloss desswegen von B. auf Z. zu kommen, so
war doch einiges vorhanden, das Sie angenehm unterhalten hätte, und besonders waren die bedeutenden
Fortschritte einiger junger Künstler sehr erbaulich.
Was vor allem andern die Aufmerksamkeit nicht nur der Kenner und Liebhaber, sondern auch
der trivialsten Menschen auf sich zog, war Lavaters Büste von DanneckerQ, die einige Tage vor der
Ausstellung ganz unerwartet anlangte. Es ist nicht möglich, ein so gehaltreiches Gesicht, wie Lavater’s
war, in seinen bedeutendsten Zügen und gerade im Momente des lieblichsten Ausdruckes nach der Natur
besser aufzufassen und lebendiger darzustellen, als es Dannecker, der Lavater nie gesehen, nach leblosen
Gemälden und verworrenen Angaben zu thun vermochte. Er lieferte ein reines, vollkommenes Meister-
stück, in so hohem und einfachen Sinne, dass es neben den besten Antiken zu stehen verdient, und
für die späteste Nachwelt interessant bleiben wird. Wo aber ein solches Kunstprodukt einen würdigen,
und sowohl seinem Werth als seiner Bestimmung angemessenen Platz erhalten werde, das ist noch nicht
entschieden. Diese Frage wird nun bald beantwortet werden müssen. Abdera wird seine Stimme
erheben, Laalenburgs Gänse werden beginnen zu schnattern, und E. E. Kirchenrath bei St. Peter wird
sein gewichtiges Votum nicht vorenthalten. Apollon mag in solchen Nöthen den ästhetischen Mitgliedern
der zu diesem Zweck verordneten Kommission beistehen, dass sie nicht wieder Bauchweh und Grimmen
bekommen, wie vor einigen Jahren, als diese Frage vorläufig bis zum Skandal debattirt wurde, und
unter einigen Krautköpfen ein gewaltiger Lärm entstand wegen einem halben Dutzend Kohlhäuptern,
die im Waisengarten dem Johanneskopf unseres sei. Mitbürgers hätten Platz machen sollen. So sehr
ich ein Lokal im Freien gewünscht hätte, so wird dennoch davon abstrahirt werden müssen, weil der
Vandalismus sich gar zu gern an dergleichen ausgezeichneten Gegenständen vergreift. Auch ist der
carrarische Marmor, aus welchem die Büste gemeisselt ist, so fein und zart, dass er sich in unserm
rauhen Klima nicht lange ohne schützendes Obdach erhalten könnte. Gessner’s Monument predigt
darüber Vorsicht.
Die Ausstellung enthielt über 150 Bilder, war also an Quantität beträchtlicher, als noch nie zuvor.
Was aber die Qualität anbetrifft, so möchte ich eben nicht darüber absprechen und doch, glaube ich,
waren im Ganzen weniger total schlechte Bilder vorhanden als voriges Jahr. Da ich eben den Katalog

') Gegenwärtig im Erdgeschoss der Wasserkirche aufgestellt.
 
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