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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 49.1889

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Ueber einige Kunstwerke auf der Ausstellung in Zürich im Mai 1805
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https://doi.org/10.11588/diglit.43108#0020
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vor mir habe, so will ich Ihnen in alphabetischer Ordnung die Randglossen abschreiben, die ich bis
jetzt neben einige Artikel setzte.
Zwei grosse Oelgemälde von Birmann zogen wegen ihren starken Lokalfarben die Blicke vieler
Leute auf sich. Das eine stellt einen Wasserfall im Kanton Basel, das andere die Cascatellen von
Tivoli vor. Mir wollten sie nicht einleuchten ; der Maler scheint mir über seiner Manier die Natur
vergessen zu haben, und hat seine Landschaften so behandelt, dass man sie in Oel illuminirt heissen kann.
Der junge Bullinger macht in seinen Aquarellzeichnungen bunte Mouvements rétrogrades. Ich
kann nicht begreifen, dass kein guter Freund ihm wohlmeinend beweist, dass gemaltes Gras nie so
grün sein darf wie das Gras auf der Wiese.
Achilles Benz von Basel hingegen hat zwei Guachegemälde gesandt, die vielleicht nur zu wenig
grün, dagegen aber weit besser in jeder Hinsicht ausgefallen sind, als die letztjährigen. Dieser Künstler
schreibt gewöhnlich nur die drei ersten Buchstaben seines Taufnamens vor seinen Geschlechtsnamen,
welches dann, besonders unter mittelmässigen Künstlerprodukten, sich gar possierlich lesen lässt:
«Ach, Benz!»
Corrodi von hier, der wenig bekannt ist und auch wenig Umgang mit andern Malern hat, stellte
neben einigen recht saftigen Fruchtstücken, ein Portrait aus, das alle Zürcher wegen seiner charakteristischen
Aehnlichkeit und Natur anzog *). Es stellt einen hiesigen Chirurgen vor, der allgemein wegen seiner
unbegrenzten Neugierde bekannt ist. Mit einer trefflichen Fraubasenmiene steckt er den Kopf aus einem
kleinen Schiebfenster, um zu erspähen, was unten vorgeht, und hat in der Eile seinen Pfeifenstumpf
auf das Gesims fallen lassen.
Von Dunker sind zwei alte Landschaften da, die mir, ungeachtet der grossen Praktik, die darin
herrscht, gar nicht gefallen; das Ganze hat, von Weitem betrachtet, viel angenehme Farben, in der
Nähe aber findet man die Gegenstände ohne Rücksicht auf die Natur, ganz ungewöhnlich kolorirt, und
entfernen sich von ihr so sehr, als eine Pariser Operistin von einem Oberhaslemädchen.
Ein Taubstummer aus dem Engadin, Fritz Zond, hat sein eigenes Portrait gemalt. Ein schöner
Jünglingskopf, dem man so gern Gehör und Sprache gäbe, damit seine grossen Anlagen zur Kunst
sich schneller entwickeln könnten !
Von dem ebenfalls taubstummen Bildhauer Muralt* 2) war eine Sappho und ein Faun vorhanden.
Wenn er auch kein Meister werden kann (und dazu wäre er bei Scheffauer auch nicht unter der
rechten Leitung), so kann man sich doch nicht genug über den Fortschritt der menschlichen Kultur
freuen, welche diesen, von der Natur so misshandelten Unglücklichen die Mittel gibt, ihren innern
Sinn zu bilden, und aus der Thierklasse, wohin sie ehemals gehörten, in den Musentempel Zutritt
zu finden .
Wagner an Hess.
Bern, den 19. Mai 1806.
Wie versprochen, melde ich Ihnen, werthester Herr Freund, nun 8 Tage vor der Kiinstler-Tag-
satzung in Zofingen, dass ich leider! allem Anschein nach diesem freundschaftlichen Verein nicht
>) Jetzt in der Sammlung der zürcherischen Künstlergesellschaft.
2) Martin v. Muralt, geb. 28. März 1773, gest. 5. Dezember 1830, erlernte die Bildhauerei bei Christen in Stans
und hielt sich nachher von 1791—1816 bei Bildhauer Th. J. v. Scheffauer in Stuttgart auf. Er arbeitete meist in kleinerem
Format und es befinden sich noch allerlei Arbeiten seiner Hand im Besitz seiner zürcherischen Anverwandten,
 
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