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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 49.1889

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Die schweizerische Künstlergesellschaft in Zofingen. Die eidgenössische Tagsatzung und die Kunstausstellung in Zürich im Jahr 1807
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Ueber die Kunstausstellung in Zürich im Jahr 1808
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https://doi.org/10.11588/diglit.43108#0036
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Girardet, welcher das Bildniss von Tschiffeli so niedlich gestochen hat, ist ein Neuenburger, kein
Mann ohne Geist und Talent, von Zeit zu Zeit aber etwas närrisch. Während dieser Geistes-Eklypse
bildet er sich denn ein, er sei ein Grand personnage, kleidet sich prächtig und grossartig, hängt sich
ein grosses Ordensband und Stern um, nennt sich le grand maître de l’ordre de la nature, theilt
Sterne und Ritterschläge aus und treibt sonst noch allerhand seltsames Zeug, bis er auf einmal wieder zu sich
selbst kommt. Dieses Alles habe ich wenigstens in Neuenburg von ihm erzählen hören. (Der geschickte
Graveur Girardet in Paris ist dessen Bruder). Vor ein paar Jahren hat der erstere in Neuenburg eine
Geschichte gehabt, die damals einiges Aufsehen machte. Er gab nämlich eine Karrikatur heraus über
die bekannte Verauctionirung der konfiszirten englischen Waaren durch die Franzosen. Das Blatt
soll viel Salz und besonders viele Ressemblance aller dabei agirenden Personen enthalten haben. Die
französischen Commissäre und einige Käufer klagten. Girardet ward, wennn ich nicht irre, selbst
arretirt, Platte und alle Abdrücke konfiszirt und vernichtet. Diesen Winter hat G. in Bern zugebracht,
jetzt ist er wieder in Neuchâtel, aber sehr krank, wie ich höre.
Ihre Frage über Fellerib&rg weiss ich wahrlich nicht bestimmt zu beantworten. Heute halte ich
den Mann für einen edeln Enthusiasten, voll verständiger Ideen und nützlicher Ansichten; morgen er-
scheint er mir ein überspannter Irrkopf, doch aufrichtig ; übermorgen bin ich tentiret, ihn für einen
absichtlichen Charlatan zu halten ; den Tag darauf ftir einen in Oeconomicis übelstehenden Projekt-
macher, der durch Windmachen irgendwo einträgliche Anstellung zu erhalten wünscht und dann sehe
ich auf einmal wieder in ihm einen thätigen Menschenfreund, der durch momentane Aufopferungen und
kostbare Versuche sich und Andern erspriessliche Entdeckungen zu machen sucht. Jede dieser An-
sichten hat hier ihre eigenen dezidirten Anhänger, die in F. nur das eine oder das andere sehen und
entweder über ihn herfallen, oder über ihn die Achseln zucken, oder seine Partei mit Wärme oder
auch mit Nüchternheit nehmen. Das ist wahr, dass seine Güter eine wahre und sehr nette, ich möchte
fast sagen, Agrikultur-Ausstellung, beinahe das ganze Jahr über, darbieten ; ob aber das Erdreich,
um den reichen Ertrag hervorzubringen, mit Schillingen oder mit Louisd’ors gedüngt werde, will Vielen
ungeachtet aller seiner offenen Oekonomie-Büchern noch ein Problem bleiben. Er hat eine äusserst
liebenswürdige Gattin, eine Nichte von Frau Schultheiss Freudenreich, mit welcher dieselbe in Manchem
Aehnlichkeit hat. Jeder Wohldenkende muss wünschen, dess es F. in Allem wohl gehe und dass seine
eigenen Oeconomica und seine Versuche guten Fortgang haben und ausgebreitet werden. Was ihm, wie
mich dünkt, im Sinn der Leute seit einiger Zeit nicht wenig schadet, ist das übertriebene und nicht
selten sehr taktlose Posaunen vieler Zeitungsschreiber und Journalisten. Er könnte vielleicht nichts
klügeres thun, als sich diese ungebetenen Lobrednereien für ein und allemal zu verbitten
Ueber die Kunstausstellung in Zürich im Jahr 1808').
Die diessjährige Ausstellung war minder zahlreich als die vorhergehende, übertraf aber dieselbe
an innerem Gehalt nach dem Ausspruch aller Kenner.
Es mag freilich nicht denkbar sein, alle Jahre von den Arbeiten inländischer Künstler eine gleich
gute, in jeder Beziehung interessante Ausstellung veranstalten zu können, und doch wäre es schade,

!) Ein bestimmter Nachweis, dass der nachstehende Aufsatz auch für Wagner geschrieben worden sei, fehlt zwar,
doch scheint es uns wahrscheinlich, dass der Freund in Bern davon Kenntniss erhalten habe und wir nehmen daher
keinen Anstand, ihn hier auch der Korrespondenz einzufügen.
 
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