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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 49.1889

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Ueber einige Kunstwerke auf der Ausstellung in Zürich im Mai 1805
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https://doi.org/10.11588/diglit.43108#0022
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ein altes Lied, und wer ohne Abschied weggeht, denkt eher an’s Wieder kommen, als wer sich beurlaubt
und dadurch beweist, dass er für lange wegzubleiben gedenkt.
Ihre Wanderschaft durch’s Aargau war sehr interessant und ich begreife, mit welchen Gedanken
Sie gerade in dieser wichtigen Epoche an den Ruinen Habsburgs vor übergingen. Steigen und Fallen
menschlicher Grösse erscheint uns bei historischem Ueberblick oft wie das Aufwallen eines Wasser-
kessels, wie die Blase auf der Kaffeekanne, und ich glaube, es würde den Grossen der Erde wohl thun,
wenn sie zuweilen mit dem philosophisch-stillen Blick eines isolirten Wanderers, der über Schlachtfelder
der Vorzeit dahin schlendert, ihre Verhältnisse betrachten könnten. Wie mancher würde dann lieber
seine Krone niederlegen, und mit dem Wanderstab in der Hand lieber malerische Herbstgegenden
aufsuchen, als Pläne zu Länderarrondissements machen, und Karten mischen, zu denen die Jettons aus
Menschenknochen gedrechselt werden müssen. Ob aber solch’ eine harmlose Stimmung das Ideenrad
in dem Kopfe jenes Mächtigen etwas langsamer kreisen hiesse, der jetzt aller Welt Gesetze vorschreibt,
daran zweifle ich, denn ich glaube, dass nach Galls Theorie das Organ harmloser Friedfertigkeit gar
nicht bei ihm existirt und er scheint die eiserne Krone der Lombarden so wenig abgeben zu wollen,
als den eisernen Scepter, mit dem er über Frankreich hinaus in alle Länder gebietet.
Lassen Sie uns dem Schicksal danken, dass wir lieber mit einer Feder oder mit einem Bleistift
spielen, als mit einer königlichen Fliegenkappe! .
Zürich, den 30. November 1805.
.Sie fordern mich auf, Ihnen zu
sagen, wie Fr. v. W.1) mir erschienen sei, und wie sie hier sei fetirt worden? Das eine, mein lieber
Freund, gibt ein sehr freundliches Bild, in das andere aber mischen sich einige Karrikaturzüge und
tygurinische Gaissfüsse, die ich Ihnen eigentlich vorenthalten sollte, um meine liebe Vaterstadt nicht
in abderitische Reputation zu bringen; da es aber damit schon seine Bewandtniss hat, so will ich auch,
als ein Kosmopolit, jedes Ding bei seinem Namen nennen.
Leider blieb Fr. v. W. nur 4 Tage hier, so dass wir ihre Gegenwart nur im Fluge geniessen
konnten. Ich hatte das Vergnügen, sie alle Tage zu sehen, und Dank den guten Empfehlungen der
Frau Freudenreich und Wursteinberger, fand auch meine Frau eine ausgezeichnet freundliche Aufnahme
bei ihr. Ich fand die seltene Vereinigung der vollendetsten Weltkultur bei ihr (ich mag nicht sagen
Politur, weil sich der Begriff von A&geschliffenheit damit auch verbindet) mit der sorgfältig und rein-
bewahrten Natur und Herzlichkeit, und wo diese Vereinigung sich noch mit dem äusserlichen
Liebereiz gattet, da muss ein Frauenzimmer unwiderstehlich sein; auch hat Fr. v.’ W. diesen Eindruck
auf alle Leute gemacht, die in ihre Nähe kamen. Es hat meine gute Mely ordentlich betrübt, sie so
bald abreisen zu sehen.
Die beiden ersten Tage wurden zu Visitengeben und Empfangen bestimmt, Abends waren Spiel-
assembleen, die gewöhnlich steif und langweilig sind. Am dritten Tag gab der Stadtrath dem Herrn
v. Wattenwyl ein grosses, schweres Diner, wobei alle Autoritäten gegenwärtig waren und wo Weine zu
Toasts aller Art und Konditorwitz (der mit Schneiderscherz nahe verwandt ist) sich im Ueberfluss
befanden. Auf das Diner folgte Abends ein Ball, dessen Personale aus den — ziemlich gemischten

') Frau v. Wattenwyl, geb. v. Ernst, die Gattin des Bernei' Schultheissen, welcher damals gerade die Würde eines
Landammanns der Schweiz bekleidete.
 
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