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Neujahrsblatt des Kunstvereins und des Historisch-Antiquarischen Vereins Schaffhausen: Das Kloster Allerheiligen zu Schaffhausen — Schaffhausen: Brodtmann'sche Buchdruckerei, Band 3.1891

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St. Oswaldskapelle
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Die neue Abtei
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https://doi.org/10.11588/diglit.53831#0019
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gothischen Lücke im Ostgiebel keine formirten Teile zeigt. Nicht mehr vorhanden
sind zwei andere Häuschen auf dem jetzigen Münsterplatz, das «Messmerhäuschen»
und das Haus zum «Bückiträger» später das «grüne Häuschen». Das Letztere ver-
schwand auf recht originelle Weise. Es wurde nämlich, für den Abbruch bestimmt,
zum Zwecke einer praktischen Feuerwehrübung im Jahre 1856 aus Auftrag der
städtischen Behörde in Brand gesteckt.
Noch immer ein stattliches Gebäude, das sich breit und anspruchsvoll quer
über die Strasse stellt, ist
Die neue Abtei.
Sie wurde vom drittletzten Abt des Klosters, Conrad VI. aus der Konstanzer
Familie Dettikofer (1466—1489), erbaut; auf der Nordseite über dem Durchgänge
ist das Erbauungsjahr 1484 angegeben. Sie liegt1) vor der nordwestlichen Ecke der
ältesten Klosteranlage und war noch bis gegen die Mitte unseres Jahrhunderts durch
den sogenannten Pfaffengang mit dem westlichen Flügel des grossen Festsaales2)
verbunden- Durch die Mitte des Erdgeschosses geht der mit einer Halbtonne über-
wölbte Durchgang der einzigen Strasse, die ehedem von Schaffhausen aus rheinauf-
wärts führte. Die Bögen auf beiden Seiten des Durchgangs sind ausgekehlt, die
Hohlkehle mit einer Reihe von Kugeln geschmückt. Das Gebäude ist zweistöckig
und hat Staffelgiebel im Osten und Westen. Im nordwestlichen Eckzimmer des ersten
Stockwerkes ist eine flache Holzdiele mit einfach geschnitzten Balkenköpfen erhalten
geblieben. Hinter der glatten Fenstersäule, die die Jahreszahl 1535 trägt, steht ein
älteres zierliches Säulchen. Im Uebrigen hat sich von der jedenfalls ehedem reichen
innere Ausstattung nichts erhalten, und wir können das heimelige « Abtsstübli», welches
sich in der nordöstlichen Ecke des zweiten Stockes befand, leider nur noch nach
einer alten Zeichnung wiedergeben 3).
Das oberste Stockwerk trug früher einen Dacherker mit Thürmchen, und ein
mächtiger Drachenkopf diente als Wasserspeier.
Nur noch wenige Jahrzehnte mochten die Aebte von Allerheiligen in diesem
stattlichen Hause sich ihres Lebens erfreuen oder über den materiellen und sittlichen
Verfall ihres Stiftes nachsinnen. Nach Aufhebung der Abtei wurde die Residenz der
Aebte zum Verwaltungsgebäude der Klosterpflegerei, die fortan einen besondere
Zweig des städtischen Haushaltes bildete, eingerichtet. Heutigen Tages stehen dort
die Finanzen unseres kleinen Staatswesens in getreuer Flut.
Das Jahr 1484 war ein treffliches Weinjahr4). Wie mochte der Abt Conrad
von seinem eben vollendeten Baue aus frohen Blickes herabschauen auf die langen
Wagenreihen, welche den köstlichen Trank dem Kloster zuführten! Denn unmittel-
*) Tafel I und II lit F, ferner Neujahrsblatt 1889 S. 18.
2) Neujahrsblatt 1890 S. 17 und 18.
3) Tafel X.
*) Harder und Imthurn: Chronik der Stadt Schaffhausen III, S. 83.
 
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