I i6 VII. Ein Gott-Königsdrama
kalender waren die Daten der Schwangerschaft der Isis mit einer
uns ganz fremdartig dünkenden Gewissenhaftigkeit registriert: Tag
der Konzeption; Anlegung eines Amuletts, als sie das Tragen einer
Leibesfrucht merkt; Niederkunft; Kindbett.1) Auf den vorhin (S. 75f.)
bezeichneten Tempelgemälden Lt ein eignes „Zimmer der Entbindung"
dargestellt; diese selbst wird mit vollem Realismus zur Anschauung
gebracht.2) Was die Göttin so beim Empfangen, Tragen und Gebären
des Horuskindes an sich selbst erfahren hatte, erhob sie, das Urbild
der Mütter, zur allgemeinen Menschensatzung. Ein auf der Insel An-
dros gefundener inschriftlicher Hymnus in Hexametern enthält in-
mitten vieler Selbstprädikationen der Isis diese: „Ich führte Mann
und Frau zusammen. Ich ließ nach Ablauf des zehnten Monats —
denn das Licht dieses Mondes bringt die Frucht genau zur Reife —
das Kind fertig aus dem Mutterschoße hervorgehen."3) Matri longa
decein tulerunt fastidia merises: an sich gar nichts Besonderes, — es
war, mit Pindar zu reden, ihr Kuptoc p(v (s. o. S. 61, 1) —, aber eben um
deswillen vielleicht bemerkenswert, daß es überhaupt erwähnt wird.
VII. EIN GOTT-KÖNIGSDRAMA
Wir wenden uns jetzt wieder unserem Gedichte zu. Jeder Zu-
wachs am Verständnisse der religiösen Umwelt, in die es seiner Grund-
idee nach gehört, hat sich uns für die Deutung von Einzelheiten
als nützlich erwiesen. Das wird auch an diesem Punkte der Unter-
suchung der Fall sein, wo wir, ohne dadurch Befremden zu erregen,
aegyptische Religionsvorstellungen, vermittelt durch eine lange Tra-
dition, durch die der Ursprung schließlich in Vergessenheit geriet,
für die Erklärung werden verwerten dürfen.
I. Erhöhung und Inthronisation als Weltherrscher
Auf die erste Heptas von Versen (4—10), die wir oben be-
sprachen (S. 22 f.), folgt eine zweite (11 —17), die genau so wie jene
nach Gruppen einer zweigeteilten Tetras (11 — I2 -| - 13 — 14) und
1) F. K. Ginzel, Hdb. d. math. u. techn. Chronol. I (Lpz. 1906) 205ff., doch sind
die Daten mit Vorsicht zu benutzen.
2) Auf einer aegyptischen Inschrift aus der Zeit des Augustus stehen die Worte:
„Isis im Hause der Niederkunft": Boll, Sphaera 211. — Darstellung der Geburt: Bild
aus Luxor bei Moret a. a O. (o. S. 76, 1) 55. Der Realismus der Darstellungen hat auch
medizinisches Interesse erregt: ein Arzt, F. Weindler, hat in seiner Schrift: Geburts-
u. Wochenbettsdarstellungen auf altaegypt. Tempelreliefs, Münch. 1915 alle diese Bilder
in prachtvollen Reproduktionen vereinigt.
3) Kaibel, Epigr. gr. 1028, 36ff. Schlichter heißt es in der prosaischen Isis-
Aretalogie von los (Ditt.-Hill. Syll.3 1267): tyw yuvaiKa Kai ävöpa cuvf|Yaya. ^yw yuvatEi
Ö6Kdpr|vov ßpeqpoc &&ra£a.
kalender waren die Daten der Schwangerschaft der Isis mit einer
uns ganz fremdartig dünkenden Gewissenhaftigkeit registriert: Tag
der Konzeption; Anlegung eines Amuletts, als sie das Tragen einer
Leibesfrucht merkt; Niederkunft; Kindbett.1) Auf den vorhin (S. 75f.)
bezeichneten Tempelgemälden Lt ein eignes „Zimmer der Entbindung"
dargestellt; diese selbst wird mit vollem Realismus zur Anschauung
gebracht.2) Was die Göttin so beim Empfangen, Tragen und Gebären
des Horuskindes an sich selbst erfahren hatte, erhob sie, das Urbild
der Mütter, zur allgemeinen Menschensatzung. Ein auf der Insel An-
dros gefundener inschriftlicher Hymnus in Hexametern enthält in-
mitten vieler Selbstprädikationen der Isis diese: „Ich führte Mann
und Frau zusammen. Ich ließ nach Ablauf des zehnten Monats —
denn das Licht dieses Mondes bringt die Frucht genau zur Reife —
das Kind fertig aus dem Mutterschoße hervorgehen."3) Matri longa
decein tulerunt fastidia merises: an sich gar nichts Besonderes, — es
war, mit Pindar zu reden, ihr Kuptoc p(v (s. o. S. 61, 1) —, aber eben um
deswillen vielleicht bemerkenswert, daß es überhaupt erwähnt wird.
VII. EIN GOTT-KÖNIGSDRAMA
Wir wenden uns jetzt wieder unserem Gedichte zu. Jeder Zu-
wachs am Verständnisse der religiösen Umwelt, in die es seiner Grund-
idee nach gehört, hat sich uns für die Deutung von Einzelheiten
als nützlich erwiesen. Das wird auch an diesem Punkte der Unter-
suchung der Fall sein, wo wir, ohne dadurch Befremden zu erregen,
aegyptische Religionsvorstellungen, vermittelt durch eine lange Tra-
dition, durch die der Ursprung schließlich in Vergessenheit geriet,
für die Erklärung werden verwerten dürfen.
I. Erhöhung und Inthronisation als Weltherrscher
Auf die erste Heptas von Versen (4—10), die wir oben be-
sprachen (S. 22 f.), folgt eine zweite (11 —17), die genau so wie jene
nach Gruppen einer zweigeteilten Tetras (11 — I2 -| - 13 — 14) und
1) F. K. Ginzel, Hdb. d. math. u. techn. Chronol. I (Lpz. 1906) 205ff., doch sind
die Daten mit Vorsicht zu benutzen.
2) Auf einer aegyptischen Inschrift aus der Zeit des Augustus stehen die Worte:
„Isis im Hause der Niederkunft": Boll, Sphaera 211. — Darstellung der Geburt: Bild
aus Luxor bei Moret a. a O. (o. S. 76, 1) 55. Der Realismus der Darstellungen hat auch
medizinisches Interesse erregt: ein Arzt, F. Weindler, hat in seiner Schrift: Geburts-
u. Wochenbettsdarstellungen auf altaegypt. Tempelreliefs, Münch. 1915 alle diese Bilder
in prachtvollen Reproduktionen vereinigt.
3) Kaibel, Epigr. gr. 1028, 36ff. Schlichter heißt es in der prosaischen Isis-
Aretalogie von los (Ditt.-Hill. Syll.3 1267): tyw yuvaiKa Kai ävöpa cuvf|Yaya. ^yw yuvatEi
Ö6Kdpr|vov ßpeqpoc &&ra£a.