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ZZ. Helios und Aion

tout entier est exclusivement mystique ou religieux.“^ An diesen
Formulierungen ist richtig und entscheidend die Erkenntnis des Pro-
blems und seine Begründung auf das Religionsgeschichtliche. Dies
ist der Punkt, bei dem wir einsetzen wollen.

II. HELIOS UND AION
I. Der Geburtstag des Helios
Gleich über dem Anfang des Gedichts liegt mystisches Halb-
dunkel: um so wichtiger ist es einen Punkt, der schon hier mit voller
Klarheit hervortritt, ins Auge zu fassen. Die bevorstehende Geburt
des neuen Weltzeitalters steht in Beziehung zu der des Kindes: saeclo-
rum nascitur ordo (5) — nascenti puero (8). Diese Beziehung wird
im ganzen weiteren Verlauf des Gedichts festgehalten, es wird von
ihr geradezu beherrscht. Welcher Art dieses Verhältnis von Aion
und Knaben ist, insbesondere auch in welchem Zeitverhältnis die
beiden Geburten zueinander stehen, können wir hier noch nicht er-
örtern. Zunächst interessiert uns eine weitere wichtige Angabe, mit
der die erste Versreihe schließt. Die Geburtsgöttin Lucina wird helfen,
denn „schon ist Apollo, ihr Bruder, König":
tuus iam regnat Apollo. (10)
Was bedeuten diese zunächst rätselhaft erscheinenden geheimnisvollen
Worte, welche Beziehung waltet ob zwischen dem Regiment Apollos
und dem Anbruch der neuen Weltperiode? Hier kommt uns ein
Kommentator des Altertums wirklich einmal zu Hilfe.2) „Die Sibylle
hat die Regenten jedes einzelnen Zeitalters genannt; der des letzten,
nämlich des zehnten, sei Helios. Helios aber ist, wie wir wissen, der-
selbe wie Apollo. Daher sagt der Dichter 'schon ist Apollo König'."
Die grundsätzliche Richtigkeit dieser besonders gelehrten Bemerkung
ist aus anderen Quellen mit Sicherheit zu erweisen; nur die An-
gabe, das Zeitalter des Helios sei das 'letzte', ist unzutreffend, es
ist nach den Worten des Dichters vielmehr das erste der neuen
vervielfachter Hast ein. Nachdrücklichen Widerspruch erhob — von einer gelegent-
lichen Bemerkung O. Gruppes, Die griech. Culte und Mythen (Lpz. 1887) 689 abge-
sehen — zuerst O. Crusius, Rh. M. LI (1896) 555, an den sich J. Geffcken, Herm. XLIX
(1914) 342 und besonders Fr. Boll, Aus d. Offenbarung Johannis (Berl. 1914) 14 an-
schlossen.

1) S. Reinach in einem bemerkenswerten Aufsatz in der Revue de l'Histoire
des Religions XLII (1900) 365ff. Die angeführten Worte entsprechen genau meiner
Auffassung. Wenn der Verf. dann aber versucht das Gedicht als Produkt der 'Orphik'
zu erklären, Titanen und Dionysos-Zagreus hineinbeziehend, so hat er seiner Phan-
tasie allzugroßen Spielraum auf seine Gelehrsamkeit gestattet.

2) Servius zu Vers 4; vgl. die folg. Anm.
 
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