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BALDUNG UND DÜRER 1503-1508

spricht dem Sebastians-Holzschnitt, bis in die Baumkulisse links hinten hinein. Das Hochgebauschte der
Figuren kennen wir von dem Pariser Reiter wie von dem Sebastiansschützen (Abb. 21, 118). Der Kopf
des heihgen Joachim ist - ins Sakrale gerückt - wieder ein typisches Greisenhaupt der Werkgruppe. In
dem Glasfensterkapitel folgt die Analyse des Stücks170. Offensichtlich sind wir mit diesem Joachim in
nächster Nähe von Dürers Heller-Altar-Studien.

Das Glasfenster beweist endgültig, daß Baidung von Halle noch einmal nach Nürnberg zurückge-
kehrt ist und 1508 wieder mit Dürer in engstem Kontakt war. Es bestätigt, was sich schon aus den Vor-
lagen des Pariser Reiterbildes erschließen heß. Zu dem gleichen Resultat ist von einem dritten Werk aus
jüngst auch W. Guthmann gelangt.

Ein >Apostelkopf< in Kopenhagen (K 44, Abb. 89), von F. Winkler noch in sein Corpus der Dürer-
Zeichnungen aufgenommen171, von C. Koch mit allgemeiner Zustimmung in das Baldung-Oeuvre ein-
bezogen, wird von diesem in die Zeit des Freiburger Altars um 1513-16 datiert und als eine Beleuchtungs-
studie angesehen. Er glaubt, dasselbe Modell zu erkennen, das für den Joseph der Freiburger Geburtstafel
gedient hat. Da dort der Joseph aber en face gegeben ist und in Nasen- und Stirnform doch einen breiteren
Bau zu zeigen scheint, kann diese These nicht als sicher gelten.

W. Guthmann172 hat nun die Meinung vertreten, daß das Blatt als Breitformat zu verstehen sei und
einen nach oben blickenden Apostelkopf zeige. Sie gleicht in der Haltung genau einem der vorderen
Apostel von Dürers Heller-Altar, wie die Frankfurter Kopie erweist. Von dieser Figur sind Dürerstudien
der linken Hand (Albertina) und der Sohlen (Paris) erhalten173. Nach W. Guthmanns Ansicht ist das
Kopenhagener Blatt eine freie Wiederholung Baidungs nach einer verlorenen Studie Dürers zu diesem
Kopf.

In der Tat entspricht der Lichteinfall dem der Heller-Tafel. Der Verzicht auf den Halsansatz findet sich
ebenso bei zwei der Apostelstudien Dürers in Wien und Berlin174. W. Guthmanns These wird nun aber
auch durch den Kopf Joachims auf der Großgründlacher Scheibe (Abb. 61) gestützt. Durch das ver-
gröbernde Medium der Glasmalerei hindurch ähnelt bei ihm die Stilisierung von Locken und Bart in
weichen, sich ringelnden und verschlingenden Kräuselformen. Da wie dort sind diese vorwiegend in
Weiß, teilweise aber auch in Schwarz ausgeführt.

Damit scheint sich doch F. Winklers Datierung zu bestätigen, der die Kopenhagener Zeichnung in
engstem Zusammenhang mit den Studien zum Heller-Altar angesetzt hatte. Da sie bisher die einzige
Handzeichnung aus dieser Phase blieb, fehlt zwar die letzte Sicherung durch exakte Vergleichsstücke, und
C. Koch hält (nach mündlicher Mitteilung) auch weiterhin an seiner Datierung fest. Da aber Baidung in
Freiburg wohl kaum Dürers Heller-Altar-Studien vor Augen gehabt haben kann, so müßte man an-
nehmen, er habe freie Kopien nach solchen bei seinem Abschied von Nürnberg um die Wende 1508/09
mitgenommen, die ihm dann zur Anregung dienten. Das ist nicht sehr wahrscheinlich. Immerhin würde
auch in diesem Fall Baidungs nochmaliger Aufenthalt bei Dürer 1508 anzunehmen sein.

Die Gegenüberstellungen bei W. Guthmann zeigen, daß die Kopenhagener Zeichnung, so eng sie
ihrem Vorbild gefolgt sein mag, sich doch radikal von Dürer distanziert. Die nahsichtige Illusion, die
Bildnistreue und die Launigkeit des Meisters werden von Baidung abgelehnt. Großartig aber und über
Dürer hinausgehend ist die Linienstilisierung. Und auch im Geistigen wird ein höheres Maß gesetzt. Dem
Rang nach ist diese Zeichnung Dürer vielleicht zum erstenmal ganz ebenbürtig. Sehr selbstbewußt setzt
sie sich gegenüber der Vorlage ein eigenes künstlerisches Ziel.
 
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