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Ohnefalsch-Richter, Max
Kypros, Die Bibel und Homer: Beiträge zur Cultur-, Kunst- u. Religionsgeschichte des Orients im Alterthume, m. bes. Beruecks. eigener zwoelfjaehrigen Forschungen u. Ausgrabungen auf d. Insel Cypern (Text) — Berlin, 1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.5181#0159
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150 Max Ohnefalsch-Riehter. Kypros, die Bibel und Homer.

einen der Phalloi aus Trachyt ab,*) die in Phrygien beim Grabe des Tantalos in grosser Anzahl gefunden
worden sind. Auf einem babylonischen oder assyrischen Cylinder der vorderasiatischen Abtheilung der
Königl. Berliner Museen (Taf. XXX, 12) stehen Aschera und Massebe auf einem gemeinschaftlichen
Gestell. Links die hölzerne Ascherasäule, auf der in diesem Falle die weibliche Scham nicht recht
deutlich ist, rechts die Massebe, die deutlich in den Kopf eines Phallos endigt, lieber der Aschera die
Mondsichel, über der Massebe der Sonnenstern, deuten auf die siderale Seite, Fisch und Viereck daneben
auf die menschliche und animalische Fruchtbarkeit bezugnehmende Seite des Cultus. Uer Priester am
Altar, mit der geflügelten Sonnenscheibe darüber, betet die verschiedenen Gotteszeichen an. Diese
langgestreckten Vierecke, oft wie hier noch mit einer Spalte in der Mittellinie, kommen als Zeichen der
Fruchtbarkeit auf mesopotamischen, hethitischen und anderen Siegelcylindern häufig vor. Zuweilen sind
zwei Winkel abgerundet, wodurch die Aehnlichkeit mit einer weiblichen Scham noch grösser wird.**)
Sehr deutlich ist die Darstellung auf dem Cylinder 11, Taf. XXX in der Mitte. Auf Taf. LXIX dritte Bilder-
reihe findet man diese Zeichencylinder 11 u. 12, XXX wiederholt und eine grössere Anzahl ähnlicher
Symbolen von anderen Gemmen daneben gesetzt. (Die Erklärung der Tafel sagt das Weitere.) Die hier
Fig. 145—148 abgebildeten vier Graffiti, stellen eine andere dreieckige Form der weiblichen Scham dar, wie
sie an den Wänden einer beim alten Tyrus in der Nähe des heute al-Kasmie genannten Flusses liegenden
Felsgrotte eingemeisselt sind.***! Sie tragen zum Theil Beischriften in griechischer, aramäischer und
phönizischer Sprache und Schrift, sowie allerlei Verzierungen, Palmenzweige, eine Palme, einen
Vogel, eine Hand. (Auf No. 145 steht eine griechisch-phönizische Bilinguis.) Unter den griechischen
Inschriften ist eine, die der Aphrodite geweiht ist. Man hat diese Grotte wohl mit Recht als eine
der Astarte-Aphrodite geweihte Stätte bezeichnet. Die Araber nennen sie noch heute die Grotte der
Schamtheile. Die Herausgeber des Corpus Inscriptionum Semiticarum erinnern sehr richtig an die Er-
zählung Herodot's, der in Syria Palaestina Stelen sah, auf denen yvvaixoc aiöola eingeschnitten waren.

*) Weber, Le Siphylos II = Perrot V, S. 54, Fig 18. Dieser Phallos ähnelt in der Form nach un-
serem kleinen Thon-Phalloi aus dem Artemis-Kybele-Heiligthum zu Achna, Taf 1.XXVIII, während ein zweites,
ebenda bei Weber und Perrot abgebildetes Stück mehr unserem Bilde (LXVIII, 8.) ähnelt. Ich erinnere hier
zugleich an die altbabylonischen und beschriebenen Phalloi aus gebranntem Thon, die ursprünglich eine ganz
realistische Form hatten, die immer mehr verloren ging und endlich in die reine Cylinderform, überleitete.
Eb. Schrader hat dies zuerst nachgewiesen und gezeigt, wie die spätere, rein cylindrische Form der babylo-
nischen Inschriftcylinder allmählich aus der Form des Phallos entstanden war. Diese grösseren Inschrift-
cylinder aus gebranntem Thon sind nicht zu verwechseln mit den kleinen Siegelcylindern und Anmieten, von
denen wir in diesem Werke eine so beträchtliche Anzahl vorführen.

**) Zweimal oben auf Cylinder Fig. 133 auf S. 98 irrthümlicb als Auge erklärt. Dasselbe Viereck
Menant, Glyptique tl, Fig. 47. 51, vor. Vgl. Taf. LXIX, 33, 39, 41, 96 101; LXXXVII, 13. Auf den altkappa-
dikischen Felsreliefs von Boghazköi sieht man kleine Aediculen über den in riesigen Dimensionen ausgeführten
Gottheiten angebracht. In einem Falle hält die Gottheit die Aedicula auf der Hand (Perrot IV, S. 639, Fig. 314
= unsere Taf. LXXXVII, 62) und steht auf einem Gegenstande, der wie ein riesiger Pinienzapfen oder
Omphalos (vergl. Taf. LXXXIII, 1, 2 u. 5) aussieht. Zwei Säulen mit schneckenartig gewundenen Capitellen
tragen das Dach in Form einer grossen geflügelten Sonnenscheibe. Eine aus einem Pininenzapfen oder
Omphalos (Vergl. Taf. LXXXIII, 4 u 5) herauswachsende Gottheit fasst nach einem der zwei riesigen, sie
umgebenden Symbole, die Perrot wohl irrthümlicher Weise für Stiere hält, und welche Darstellungen der
weiblichen Scham sind. Auf einem zweiten Relief (Perrot IV, S. 645, Fig. 321 = unsere Taf. LXXXVII, 82)
steht an Stelle der Gottheit in der Mitte ein riesiger Phallos, den auch Perrot richtig erkannt hat. Ich glaube,
wir haben hier von der hethistischen Kunst Kappadokiens übernommene und umgebildete Masseben und
Ascheren Syriens und Babyloniens vor uns.

***) Corpus Inscriptionum Semiticarum, Taf. III, 6 = unser Bild 145. Ebenda S. 28 = unsere Bilder
146—148.
 
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