Cap. 2. Der Baumcultus und dessen Uebergänge zum anthropomorphen Bildercultus. 227
verfolgen, wie diese Eros- und Psyche-Gruppen sich von der Vase ablösen. Zuerst küssen sich Eros
und Psyche nie. Erst in der späteren hellenistischen Zeit kommt das Motiv des sich im Kusse Um-
armens auf. Auch hierfür kann ich aus eigenen Ausgrabungen, oder den Ausgrabungen und Ge-
legenheitsfunden anderer auf Cypern unedirte Bilder auf Taf. CCVIII vorführen. CCVI1I, 2 stellt eine
reich bemalte Gruppe aus Thon dar, die von Herrn J. W. Williamson 1883 in einem Grabe zu Kurion
gefunden wurde. Leider fehlt jeder zuverlässige und genügende Fundbericht, da die Arbeiter sich
seihst überlassen waren. Doch untersuchte ich die Stelle und grub selbst in derselben Nekropole.
leh halte die Gruppe deshalb noch für vorrömisch. Psyche trägt keine Flügel und ist mit einem langen,
dünnen Gewände bis auf den frei gelassenen Kopf gehüllt. Dem geflügelten Eros ist das Gewand bei
der Umarmung herabgerutscht. Aus römischer Zeit stammt die von mir 1886 zu Marion-Arsinoe aus-
gegrabene Terracotta (CCVIII, 3). liier sind beide Figuren nackt und beflügelt. Die auf derselben
Tafel abgebildeten zwei Terracotta-Grupppen (1 von Kurion und 4 von Kition) scheinen Caricaturen
auf Eros und Psyche darzustellen. Davon dürfte die Kitische Gruppe (4) noch in's vierte vorchrist-
liche Jahrhundert gehören, wie sich aus einem Vergleich mit den Komikcr-Terracotten derselben Fund-
stelle CCVIII 5— 8J zu ergeben scheint.*)
So hätten wir denn die Darstellung des Baumcultus und dessen Uebergänge zum anthro-
pomorphen Bildercultus an der Hand der Denkmäler beendet. "Per varios casus, per tot discrimina
rerum tendimus in Latium" (Vergil). „Treu dem Zweck auch auf dem schiefen Wege" (Goethe).
Wir haben gesehen, welche wichtige Stelle Kypros dabei einnahm, und wie wir oft genug durch
cyprische Alterthümer oder durch noch heute im cyprischen Volke fortlebende Sitten in den Stand
gesetzt wurden, eine Peihe bisher dunkeler Punkte der althebräischen wie altgriechischen Cultur,
Kunst und Religion aufzuhellen. Nicht nur die Zeiten, in der das alte Testament und Homers Epen
entstanden, haben wir hier und da neu zu. illustriren versucht, sondern auch die Zeiten vorher und
nachher.
•) Vgl. die Erklärungen zu Taf. CCVIII.
29»
verfolgen, wie diese Eros- und Psyche-Gruppen sich von der Vase ablösen. Zuerst küssen sich Eros
und Psyche nie. Erst in der späteren hellenistischen Zeit kommt das Motiv des sich im Kusse Um-
armens auf. Auch hierfür kann ich aus eigenen Ausgrabungen, oder den Ausgrabungen und Ge-
legenheitsfunden anderer auf Cypern unedirte Bilder auf Taf. CCVIII vorführen. CCVI1I, 2 stellt eine
reich bemalte Gruppe aus Thon dar, die von Herrn J. W. Williamson 1883 in einem Grabe zu Kurion
gefunden wurde. Leider fehlt jeder zuverlässige und genügende Fundbericht, da die Arbeiter sich
seihst überlassen waren. Doch untersuchte ich die Stelle und grub selbst in derselben Nekropole.
leh halte die Gruppe deshalb noch für vorrömisch. Psyche trägt keine Flügel und ist mit einem langen,
dünnen Gewände bis auf den frei gelassenen Kopf gehüllt. Dem geflügelten Eros ist das Gewand bei
der Umarmung herabgerutscht. Aus römischer Zeit stammt die von mir 1886 zu Marion-Arsinoe aus-
gegrabene Terracotta (CCVIII, 3). liier sind beide Figuren nackt und beflügelt. Die auf derselben
Tafel abgebildeten zwei Terracotta-Grupppen (1 von Kurion und 4 von Kition) scheinen Caricaturen
auf Eros und Psyche darzustellen. Davon dürfte die Kitische Gruppe (4) noch in's vierte vorchrist-
liche Jahrhundert gehören, wie sich aus einem Vergleich mit den Komikcr-Terracotten derselben Fund-
stelle CCVIII 5— 8J zu ergeben scheint.*)
So hätten wir denn die Darstellung des Baumcultus und dessen Uebergänge zum anthro-
pomorphen Bildercultus an der Hand der Denkmäler beendet. "Per varios casus, per tot discrimina
rerum tendimus in Latium" (Vergil). „Treu dem Zweck auch auf dem schiefen Wege" (Goethe).
Wir haben gesehen, welche wichtige Stelle Kypros dabei einnahm, und wie wir oft genug durch
cyprische Alterthümer oder durch noch heute im cyprischen Volke fortlebende Sitten in den Stand
gesetzt wurden, eine Peihe bisher dunkeler Punkte der althebräischen wie altgriechischen Cultur,
Kunst und Religion aufzuhellen. Nicht nur die Zeiten, in der das alte Testament und Homers Epen
entstanden, haben wir hier und da neu zu. illustriren versucht, sondern auch die Zeiten vorher und
nachher.
•) Vgl. die Erklärungen zu Taf. CCVIII.
29»