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Ohnefalsch-Richter, Max
Kypros, Die Bibel und Homer: Beiträge zur Cultur-, Kunst- u. Religionsgeschichte des Orients im Alterthume, m. bes. Beruecks. eigener zwoelfjaehrigen Forschungen u. Ausgrabungen auf d. Insel Cypern (Text) — Berlin, 1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.5181#0357
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34S Max Ohnefalsch-Richter. Kypros, die Bibel und Homer.

Stierkopf (Fig. 15) zeigt ebenfalls das Werk eines einheimischen Arbeiters und verräth durch die
Wahl des Kopfes assyrische Einflüsse. Eine überaus feine, aber sehr beschädigte Arbeit bildet der
nächste Ohrring (Fig. 16) mit dem Kopie eines Widders, dessen Gehörn aus winzig dünnen Gold-
faden gedreht, aber jetzt sehr verbogen ist. Diese Arbeit mag der Blüthezeit griechischer Kunst
angehören, in welcher auch der edelste Goldstil geübt wurde. Von grosser Frische und lebendiger
Darstellung ist der Hundekopfauf dem letzten, kaum 1 Centimeter Durchmesser grossen Ringe (Fig. 17).

In der letzten Reihe sind drei Formen von Ohrringen, welche ebenfalls sehr oft und in vielen
Varianten aus antiken Gräbern hervorgeholt werden.

Das erste Stück (Fig. 11!.' erinnert in der Form an die in antiken Gräbern Oberägyptens aufgefun-
denen Lederkissen, in der zierlichen Vertheilung der aufgeschmolzenen Goldkörnchen, der geschickten
Maskirung der Verbindungsstelle und dem Gesammtverhältniss an die beste Zeit griechischer Kunst.
Sehr oft rindet man diese Form glatt ohne Druck, aus zwei getriebenen Blechen bestehend, von ver-
schiedener Grösse. Ebenfalls an die älteren Formen lehnt sich das zweite jüngere Stück (Fig. 19) an, nur
dass bei diesem bereits eine Vase als Anhänger dient, während jene einfache, massive, aber sich nach den
Enden zu verjüngende Ringe sind, theils ohne alles Beiwerk, theils mit aufgelötheten Seheiben, kreis-
runden gewölbten Schilden, theils mit Kapseln, in welche Edelsteine oder schöne Glasflüsse einge-
lassen waren. Manchmal findet man auch Anhänger aus mehreren zusammengelötheten Goldperlen
bestehend, welche in der Form genau so aussehen, wie der Ohrschmuck an den Figuren auf den
Alabasterreliefs assyrischer Paläste.

Von dem einfachen glatten nach den Enden zu sich verjüngenden Reif zu der letzten Form( Fig. 20),
bei der die dickere Mitte des Reifes zu einem dünnen Blech ausgeschlagen ist, finden sich auf Cypern
viele Uebergänge, meist einfach, ganz glatt oder mit aufgebogenen Rändern, mit gekörnten Rändern,
die Fläche übersäet mit Goldkörnern, bald regellos, bald nach bestimmtem Muster. Das Schlussstück,
das diese Form in reicher Behandlung zeigt, hat auf der Innenseite das Blech glatt; auf der Aussen-
seite, welche wenn der Ring am Ohr war, gesehen wurde, ist ein Aussenrand aus Golddraht aufge-
löthet, eine Reihe Goldkörnchen in Form eines Dreiecks und zwei mit Goldkörnern besetzte Kreise,
sowie zwei Epheublätter aus dünnstem Goldfaden gebildet. Es sieht aus, als ob diese Drähte zur
Schaffung von Zellen für den auf cyprischem Goldschmuck häutig vorkommenden Zellenschmelz ge-
dient hätten. Die Freude an der Farbe, welche die Griechen besassen und die heute noch traditionell
an ihren nationalen Stickereien nachwirkt, kommt auch bei ihren schon in der form und durch das
künstlerische Geschick ihrer Treibarbeit, durch die minutiöse Behandlung ihres Goldfiligrans und den
Reichthum ihrer symbolischen und struktiven, fein stilisirten Ornamente berühmten Goldschmieds-
arbeiten zur Erscheinung; so waren die Augen bei allen aus Cypern stammenden Thierkopfohrringen
mit Email dargestellt, von dem sich die Spuren auf den Stücken in der vorletzten Reihe, nur nicht
auf dem Löwenkopf vorfindet.

So zeigen diese wenigen Proben, wie vielseitig die Belehrung und Anregung nach der kultur-
historischen und stilistischen, nach der ornamentalen und technischen Seite ist, die aus den von antiken
Gräbern Cyperns gehobenen Schätzen an Goldschmuck zu holen ist. Die reichen Sammlungen in
New-York hat Tiffany zur Erziehung amerikanischer Goldschmiede, die Punde in Italien Castellani
zur Erziehung italienischer Goldarbeiter verwendet, für unsere heimischen Goldschmiede lässt sich
daraus noch sehr viel Neues lernen.
 
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