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könnte. Auch glaube ich nicht, dass irgendwo das
Bedürfnis nach einem internationalen Organ für
Kunst und Literatur vorhanden ist. Von den unge-
heuren Schwierigkeiten der Redaktion will ich dabei
ganz absehen.

Gesetzt aber, der Traum eines internationalen
Kunstblattes, das zugleich die Literatur mit umfasste,
Hesse sich irgendwo verwirklichen, so würde ich
es für ein nationales Unglück halten, wenn es in
Deutschland geschähe.

Von allen Kulturvölkern brauchen wir es am
wenigsten, weil wir über Alles, was im Auslande
erscheint, ohnehin viel besser orientiert sind als
für unsere eigene Produktion gut ist, um die wir
viel weniger gut Bescheid wissen als unsre Nach-
barn über die ihre.

Was ist der Mehrzahl unserer Gebildeten die
lebende deutsche Literatur? — Wir dürfen nicht,
behaupten, dass wir in ihr und mit ihr leben, wie
die Engländer und die Franzosen mit der Production
ihrer Schriftsteller. Was für ein Quantum franzö-
sischer Lektüre wird dagegen bei uns verschlungen,
Deutschland ist geradezu eine Provinz des franzö-
sischen Buchhandels, und die enormen Bibliotheken
englischer Literatur, die in Deutschland erscheinen,
Tauchnitz, Heinemann und Balestier etc., die in
ungezählten Tausenden von Bänden alle Häuser
füllen, sind zwar eine grosse Annehmlichkeit für
den, der Leihbibliotheken nicht mag und die teuren
deutschen Bücher nicht zahlen kann, aber sie sind
für die nationale Kultur sehr verderblich. Nun
kommen noch in ungeheuren Massen die Ueber-
setzungen aus allen Sprachen der Welt hinzu, aus
dem Dänischen, Norwegischen, Schwedischen, Rus-
sischen, Polnischen, Ungarischen, Italienischen, Spa-
nischen u. s. w. Soviel Müsse ist überhaupt nicht
vorhanden, dass ein Volk zugleich elf oder zwölf
Nachbarn in ihrer literarischen Produktion genau
verfolgen und noch eine eigene pflegen könnte. Es
ist also wirklich kein Bedürfnis nach einem neuen
Wegweiser ins Ausland, im Gegenteil, wir sollten
Alles thun, um den verlorenen Contact zwischen
unserm Volk und dem eigenen Schriftthum herzu-
stellen. Wir laufen Gefahr, eine Literatur für
Literaten zu bekommen.

Und in der bildenden Kunst künden sich ähn-
liche Zustände an. Gewiss haben die internationalen
Kunstausstellungen uns einen mächtigen Anstoss
gegeben. Aber seit München sich zum internatio-
nalen Kunstmarkt entwickelt hat, und Berlin alle
Anstrengungen macht, ihm diesen Rang streitig zu
machen, droht unserer Kunst ein ähnliches Geschick

wie unserer Literatur. Zuviel äussere Anregung
strömt den Künstlern und dem Publikum zu, sie
können es nicht mehr bewältigen.

Und nun in diesem von internationaler Kunst
überschwemmten, von internationaler Literatur
erstickten Deutschland noch ein internationales
Kunstblatt!

Das Ausland könnte lächelnd zusehen. Es würde
aus diesem internationalen deutschen Kunstblatt
nichts Neues über sich lernen und würde nicht
ohne Berechtigung eine Art Verzicht der Deutschen
darin sehen, ihrem künstlerischen Bedürfnis mit
eigenen Mitteln zu genügen.

Unsere innere Wohlfahrt und unser Ansehen
nach aussen, das davon abhängt, verlangen ein
Organ, das sich bemüht, die Keime der heimischen
Kunst zu pflegen, damit sie nicht, wie so oft schon,
aus Mangel an Luft und Licht verdorren, und die
Früchte der heimischen Kunst zu sammeln, damit
sie nicht, wie alle Tage noch, im Gras am Boden
verkommen.

Wir machen doch den Pan für uns, nicht für
das Ausland, und deshalb sollte er unsern Bedürf-
nissen dienen, uns unsere Zustände kennen lehren.
Da hat er, Gott weiss es, alle Hände voll zu thun.

Als deutsches Kunstblatt müsste der Pan nach
einem ganz andern Plan angelegt werden als etwa
ein französisches. In Frankreich würde es genügen,
wenn nur die Bewegung in Paris zu ihrem Recht
käme. Was in den Provinzialstädten vor sich geht,
könnte im Notizenteil beiläufig erledigt werden.

Wir aber haben noch keine Hauptstadt im Sinne
von Paris. Bei uns müssen die alten Stammes-
hauptstädte auch äusserlich zu ihrem Recht kommen,
und dies um so mehr, da sich mehr oder weniger
bewusst überall der Wille geltend macht, in allen
kulturellen Dingen die lokale Selbständigkeit zu
wahren und zu entwickeln. Will der Pan aus-
drücken, was Deutschland ist, so müsste er auch
in seiner äussern Gestalt dem dezentralisierten
Wesen unseres Kulturlebens folgen, indem er der
Produktion jedes Zentrums ein eigenes Heft widmete.

Da er auf sechs Hefte das Jahr berechnet ist,
würde dies in jedem Jahre ein Berliner und ein
Münchener Heft ergeben, und die vier Gruppen der
Rheinlande, des Südwest, Mitteldeutschlands, des
Nordwest würden etwa alle zwei Jahre ein Heft zur
Verfügung haben. Natürlich dürfte diese Form nicht
zum Schema werden. Es Hesse sich sehr wohl denken,
dass gelegenthch einem hervorragenden Meister der

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