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zessin Scylla. Während ihm die Pastellkreide dazu
diente, nach dem Beispiel La Tour's und Chardin's>
Bildnisse von köstlicher Treue und Aehnlichkeit
zu schaffen, schien ihm das rasche, dem Augen-
blick gehorchende, phantastische Aquarell mit dem
Fluss seiner sich verschmelzenden Farben, ausser
für die Landschaft auch für die Spiele seiner Phan-
tasie besonders geeignet. Das Blendende in manchen
seiner Aquarelle darf indes nicht zu dem Schluss
verleiten, dass in Besnard der Kolorist den Zeichner
verdrängt. Das beweisen seine Radierungen. Studien,
Kompositionen, Figuren, Interpretationen seiner
eignen Gemälde setzen das graphische Werk zu-
sammen, dessen Katalog vorbereitet wird. Dies
Werk ist darum von hoher Bedeutung, weil sich
in seinen Blättern die Streifzüge des Künstlers in
alle Gebiete wiederspiegeln, und weil seine Per-
sönlichkeit sich in ihrem ganzen Umfange daraus
erkennen lässt.

Wenn man mit einem Gesammtblick die er-
staunlich vielseitig umfassende Production über-
schaut, so will es scheinen, dass wir seit Eugene
Delacroix keinen Künstler von mächtigerer Ver-
anlagung und reicherer Einbildungkraft gehabt haben,
keinen Künstler, dessen Phantasie mehr durch ein
malerisches Gedächtnis unterstützt worden wäre,
und bei dem eine gleiche Einmütigkeit zwischen
Hirn und Hand geherrscht hätte. Inmitten des fin

de siecle, das vom Rausch der Romantik zurück-
gekommen ist, hat sich Besnard vor dem stürmischen
Fieber leidenschaftlicher Dramen bewahrt gehalten.
Ebenso haben Feinsinn und Erhabenheit des Geistes
ihn vor dem Einfluss der Plattheit eines ausschliess-
lichen und groben Naturalismus geschützt. Was
er von der Wirklichkeit festhält, ist das Unwirkliche,
sind die Täuschungen, die Vorspiegelungen der
Sinne; was er liebt, sind unvorhergesehne Erschei-
nungen, Eindrücke von weich oder andächtig
stimmenden Nächten; das, wonach er strebt, sind die
Symbole der Wahrheiten aller Zeiten. Von den
prähistorischen Zeiten bis zur Aera von morgen
hat er alle Lebensalter der Menschheit malerisch
durchforscht, ohne bei einem einzigen stillzustehen;
so hat er jedes Genre kultivieren, in jeder Technik
Luft fassen, alle Beleuchtungen wiedergeben können,
ohne sich auf die Grenzen eines bestimmten Ge-
biets zu beschränken. Sein immer wieder unge-
sättigtes, in steter Entfaltung begriffenes Talent trieb
ihn zur Enthüllung noch ungekannter Schönheiten,
und so wird er seine aufstrebende Bahn weiter ver-
folgen, fort und fort den Duft seines Geistes mit
mit der Originalität seiner Ausdrucksmittel ver-
einigen, und der ewig bestimmten unbewussten
Erneuerung der Natur, die ewige Macht der Kunst,
die ausstrahlende Schöpferkraft des menschlichen
Genius entgegensetzen.

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