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liehen Malklassenleistungen sofort beschämte. Der
empfindungsvolle Beschauer atmete auf. Er hatte
nicht den Druck der Aermlichkeit eines kleinlichen
Naturverfolgens mehr, einer ängstlichen Küsten-
schifffahrt von Künstlern, deren Beruf es wäre, auf
freiem Meer zu sein: denn wie die Poesie ist die
Monumentalmalerei frei, supra grammaticam, über
dem Studium, selbst dem gewissenhaften.

Nichts ist erklärlicher als die Freude der Kunst-
freunde bei Besnard's Erscheinen. Und dann: es
war so interessant, zu sehen, wie er malte. Puvis
anerkannte man, aber man empfand, das war eine
andere Welt und andere Sprache. Man sah z. B.
das Wasser auf dem Bild der Genovefa,
man entzog sich nicht der Erwägung,
wie entzückend es sei, besonders
in der Gesammterscheinung
mitspreche, aber es war nicht
gerade das Wasser, das man
zu malen gewünscht hätte,
wenn man Maler war oder
das man wegen seiner Malerei
geliebt hätte, wenn man
Liebhaber war. Man fand
dieses Wasser schön und
konnte sich seinem Reize
hingeben und war, in-
dem man sich hingab,
wie die weite Masse
des Publikums. Alle be-
griffen es; und wir
auch; man liebte es ohne
Nebengedanken. Man
liebte bei Puvis das
Wasser ohne zu wissen,
weshalb; und beiBesnard
liebt man es und weiss,
weshalb. Denn Puvis mit
seinem Anachronismus
ist auch in seiner Malerei
antidiluvianisch, nicht
wegen seines Metiers uns
interessant, im Gegen-
teil. Aber Besnard ist
Fleisch von unserm
Fleisch, ein Genosse
unserer Tage, ein Maler.

Auch das Programm
der Wandbilder Bes-
nard's, wie Roger Marx
es mit Recht hervorhebt,
war scharfsinnig. Wenn

man sich die Mühe gab, ihm nachzuforschen, fand
man es wirklich sehr schön konzipiert. Aber dennoch
— und jetzt beginne ich, den Bedenken Ausdruck
zu geben.

Wir verliessen Besnard bei seinem pathetischen
Arzte.

In den vier Jahren, die zwischen dem Bilde mit
diesem Arzte und den folgenden Bildern «Labora-
torium» und «Hörsaal» liegen, hat Besnard in sei-
nem Monumentalstil eine Wandlung vollzogen.

Die «Krankenpflege» mit dem Arzte hatte Besnard
trotz des schönen Tons noch mit der übergrossen
Deutlichkeit gemalt, mit der Ausdrucks weise des
grossen Bildes. Und nun hatte er es
aufgegeben, sich mit der Geste ab-
zufinden, sie war für ihn etwas
Unmögliches geworden, es
war ihm so, als wäre er
verurteilt, sich an Kämpen
von Horace Vernet zu
begeistern. Das war Ehr-
geiz bei ihm. Er wusste,
dass es zwischen der
Monumentalmalerei der
Professionellen — Puvis
immer ausgeschlossen —
und dem Kunstgefühl
der Gegenwart einen
klaffenden Spalt gab, er
sah die Monumental-
malerei — wenigstens
für Künstler — zu Ende
gehen. Er wollte sie aber
nicht verlassen, sondern
sie fördern. Er wollte
nicht, dass sie die abseits
vom Wege gehende
Magd für die Freunde
des Monumentalismus
quand meme bliebe —
er wollte sie auf den
Weg setzen, sie total
modernisieren, ihr den
Genius des Zeitalters
einimpfen. Und er er-
öffnete seine Monumen-
talkunst den impressio-
nistischen Elementen.
Diese haben eine
hinreissende, unwider-
stehliche, zermalmende
Eigenschaft.

C 188 I)
 
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