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als deren Hauptbestandteile alle damals bekannten
Harze in Lösung von Terpentin oder anderen
flüchtigen Oelen, oder diese wieder untereinander
vermischt, zu erkennen sind.

Ich möchte diese, keineswegs vollständige, Auf-
zählung der Quellenschriften nicht schliessen, ohne
auf das Manuskript des de Mayerne aufmerksam
gemacht zu haben; derselbe war in Folge seiner
Freundschaft und durch den persönlichen Verkehr
mit Rubens und Van Dyck in der Lage, über
deren Technik in hohem Grade wichtige Details
zu hinterlassen, aber das Manuskript harrt noch der
vollständigen Veröffentlichung; erst dann wird man
auch im Stande sein, sich ein vollkommenes Bild
über die Technik dieser berühmten Niederländer
und ihrer Zeitgenossen machen zu können.

Schon die ungeheuere Fülle des im Vorher-
gehenden erwähnten Materiales bedingt die Not-
wendigkeit, die Techniken bestimmter Zeitperioden
und Kunstzentren zu trennen, diese in allen Details
kennen zu lernen und die Systeme zu beachten,
nach welchen die alten Maler bei ihren Werken
vorgegangen. Es entsteht nunmehr die Frage, wie
das so kostbare Material der Quellenschriften für
uns und unsere Nachfolger fruchtbringend zu ver-
werten wäre, denn es ist noch lange nicht richtig,
eine Technik für rationell zu halten, weil dieselbe
alt ist. Andererseits hat man alle Ursache, neueren
Erfindungen dieses Zweiges gegenüber sich zu-
wartend zu verhalten, bis die Zeit deren Wert
oder Unwert festgestellt hat, denn in der Praxis
hat der Erfolg am meisten mitzusprechen. Die
Vorteile aber, die aus dem Wissen und der Kennt-
nis der verschiedenen alten und neueren Malweisen
für den schaffenden Künstler resultieren, können
nicht genug hoch angeschlagen werden.

In dieser Beziehung wäre es an der Zeit, eine
grosse Lücke in dem Lehrplane unserer Kunst-
schulen auszufüllen, denn in Sachen der Technik
sind unsere Kunstjünger in völliger Unkenntnis
auferzogen. Gerade so wichtig, vielmehr noch
wichtiger als Anatomie, Perspektive, Stillehre und
Geschichte wäre der Unterricht in der Technik
und was dazu gehört. Wie es heute der Fall ist,
versteht jeder Tüncherlehrling mehr davon, als
unsere absolvierten Akademiker; einseitig mit der
Oeltechnik vertraut, sind sie den einfachsten Auf-
gaben in Bezug auf andere Malarten nicht ge-
wachsen. Es ist auch bedauerlich, dass z. B. die

Freskomalerei so ganz und gar in Vergessenheit
geraten ist; diejenigen, welche heute noch diese
«männlichste» aller Techniken in Deutschland aus-
üben, kann man an den Fingern einer Hand her-
zählen, und ein süddeutsches Stipendium konnte
jahrelang nicht erteilt werden, weil sich Niemand
zur Freskoausführung, die verlangt ist, meldete.
Erst neuerdings soll an der Berliner Kunstakademie
durch Errichtung eines technischen Kursus den
Schülern wieder Gelegenheit geboten sein, sich
diese wichtige Technik anzueignen, ein Beispiel,
dem auch andere Kunstschulen folgen sollten.

Man wird aber noch weiter gehen müssen und
sich der Notwendigkeit nicht verschliessen können,
eine Versuchsstation für maltechnische Zwecke zu
schaffen, welche sich den Aufgaben in retrospek-
tiver und rein wissenschaftlicher Hinsicht voll und
ganz widmen müsste. Einer solchen Versuchs-
station würde dann die Aufgabe zufallen, die alten
Rezepte für Farbenbereitung und Technik der
Malerei einer gründlichen und vergleichenden Prü-
fung zu unterziehen, sowohl was die Fresko,
Wand- und Dekorationsmalerei, als auch was Oel-
malerei und Temperatechnik beträfe. Die Aufgabe
ist zu umfangreich, als dass sie eine Privatgesell-
schaft mit ihren Sonderinteressen erfolgreich zu
Ende führen könnte. Die grundlegende Arbeit
wird aber darin bestehen müssen, in historischer
Reihenfolge die Techniken früherer Kunstepochen
festzustellen, weil durch die uns erhaltenen Kunst-
werke dieser Zeitperioden Beweise für die Dauer-
haftigkeit oder Vergänglichkeit des Malverfahrens
genug zum Vergleiche vorhanden sind. Mit Hilfe
der modernen Wissenschaft wird sich dann auch
ergründen lassen, worin die Ursachen frühzeitigen
Verfalles zu erblicken sind und ob sich Abhilfe da-
gegen schaffen lassen kann. Ganz besonders wichtig
wären derartige vergleichende Untersuchungen für
die Erhaltung der Bilderwerke in den öffentlichen
Sammlungen und für deren Restaurierung.

Wie sollen aber alte Bilder richtig restauriert
werden, wenn man von deren Herstellungsart oft
ganz ungenügende Vorstellungen hat? Die Quellen-
schriften und deren richtiges Verständnis zeigen
aber den allein richtigen Weg zur Technik, wie
sie die alten und berühmten Meister ausgeübt.
Zweifellos dürfte ein solches Wissen auch für
unsere modernen Künstler und deren Werke nur
von Vorteil sein.

Ernst Berger.

(I 200 ])
 
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