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den Einfluss der italienischen Kunst auf seine Leistungen ver-
leugnete, weiss ich nicht. Aber ich weiss, dass es Menzel's
Leistungen waren, die ihn zum Illustrator machten; Menzels
Friedrich der Grosse ist den Praeraphaeliten, eben so bekannt
als er den Decadenten unserer Zeit unbekannt ist.

Das erste moderne illustrierte Werk von "Wichtigkeit,
das in England erschienen und das den Stichen nach Rossetti,

Millais und Holman Hunt seinen Ruf und seine Existenz ver-
dankt, ist Moxons Ausgabe von Tennyson, die im Jahre i 8 ^j
erschienen ist. Dieser folgte fast unmittelbar eine Pracht-Aus-
gabe von Shakspeare mit Illustrationen von Sir John Gilbert,
die nicht halb so bekannt ist, wie sie es verdient.

Kurz nachdem diese beiden Bücher erschienen -waren,
kamen mehrere illustrierte Journale zur "Welt, von denen
einige noch heutzutage existieren. Unter diesen befinden sich
„Once a Week" 185p, „Good words" und „The Corn-
hill Magazine" 1860. Später erschienen noch „The Quiver",

„The Shilling Magazine", „The Argosy" und „The Sunday
Magazine". In den zerlumpten und schmutzigen Seiten dieser
Journale muss man die grössten Triumphe der englischen
Kunst des Illustrierens suchen. Trotz der schlechten Aus-
führung, was Schnitt und Druck anbelangt, sind sie doch
Alles, was uns übrig geblieben ist. Es ist mitunter sogar
schwierig den Namen des Künstlers zu entdecken, der in
vielen Fällen gar nicht einmal gegeben ist.
Unter diesen Künstlern finden wir die Namen von
J. E. Millais, Arthur Boyd Houghton, G. J. Pennell,
Frederick Walker, I.W. North, Arthur Hughes, M.
J. Lawless, J. M. N.Whistler und Frederick Sandys.
Obgleich es interessant sein würde, sich mit den
Arbeiten aller dieser Künstler zu befassen, muss ich
mich doch auf den Letzten beschränken, der in ge-
wissen Beziehungen der bedeutendste von Allen ist.
Als Illustrator hat man ihn unmittelbar nach
Rossetti gestellt, aber das ist unsinnig. Was Ein-
bildungsgabe anbelangt, so steht er dem besser
bekannten Künstler gleich; was Technik anbelangt,
steht er bei Weitem höher; aber bis vor Kurzem
ist das Illustrieren einfach als eine untergeordnete
Beschäftigung betrachtet worden, die der Auf-
merksamkeit eines ernsthaften Künstlers nicht wür-
dig erschien, und so kommt es, dass wirklich gute
Arbeit überhaupt in diesem Fache nicht vorkommt.
Sandys wurde im Jahre 1832 in Norwich
geboren, als Sohn eines Malers. Mit den Tra-
ditionen jener schönen Schule der englischen Kunst
erfüllt, kam er frühzeitig nach London, dort nahm
er kurze Zeit in der Akademie-Schule Unterricht
und stellte auch einige Portraits aus. Die erste
Arbeit, die ich erwähnen muss, war eine litho-
graphierte Karikatur „Sir Isumbras at the Ford"
von Millais, welche mit Tinte und Feder auf
eine Zinkplatte 18 57 gezeichnet ist. Diese Platte,
verschwand nachdem nur wenige Abzüge gemacht
waren, kurze Zeit darauf mit dem Gepäck eines
Lithographen nach Deutschland hin; es ist zwei-
felhaft, ob sie je wieder ans Licht gebracht
werden kann.

„Sir Isumbras", das berühmte, aber wenig
gesehene praeraphaelitische Werk, ist das Bild eines
Ritters, der zwei Kinder auf seinem Pferde durch
einen Fluss trägt. Bald, nachdem es in der Aka-
demie aufgehängt war, erschien eine Lithographie
mit dem Titel „Das Alpdrücken": es stellt einen
lautschreienden Esel vor mit der Inschrift „J. R.
Oxfon" auf seinem hintern Theil. Die Buchstaben
„J. R." bedeuten John Ruskin, damals Student in
Oxford und Autor der „Modernen Maler", der um diese
Zeit in wohlgemeinter Weise für die Preraphaeliten kämpfte.
Millais sitzt auf dem Esel, während Rossetti sich krampf-
haft vorne anklammert; Holman Hunt hat sich unver-
schämterweise hinten angehängt und sitzt so fest da, wie ein
Blutegel, in einer Stellung, die er seitdem behauptet hat; in
einiger Entfernung stehen drei weinende Figuren, Raphael,
Tizian und Michel Angelo, die den Esel vergeblich bitten
umzukehren und sie auch mitzunehmen: Raphael ruft sogar
aus „Orate pro nobis".

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