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Arbeit dieser Art, freilich ein Relief, ist Bertoldo's
grosses Bronzerelief einer Reiterschlacht, worin das
stark beschädigte Marmorrelief eines Sarkophages im
Campo Santo zu Pisa rekonstruiert ist. Wie die
Auffindung der Laocoongruppe in ihren zahlreichen
Bruchstücken die Künstlerschaft Italiens erregte und
zur Zusammenstellung und Er-
gänzung reizte, dafür besitzt das
Bronzekabinett, ausser ein paar
Plaketten, auch eine kleine als
Skizze behandelte Gruppe, die
zwar die Lösung verfehlte, aber
von dem Kompositionstalent des
Künstlers ein beredtes Zeugnis
ablegt. Aehnlich skizzenhaft be-
handelt ist die kleine Figur eines
antiken Tragöden, wie die Maske
in der Hand andeutet 5 die Re-
stitution eines Paduaner Künst-
lers vielleicht des Bellano, nach
Bruchstücken einer Porträtstatue
mit falsch verstandener Bei-
fügung von Attributen, die die
Antike nur der Gestalt der
Tragödie selbst gegeben hätte.
Auch die grosse, sehr fleissig
durchciselierte Statuette des aus-
ruhenden Herkules, eine sehr
charakteristische Arbeit Ber-
toldo's, ist augenscheinlich eine
nach einer oder vielleicht ver-
schiedenen unvollständigen Her-
kulesdarstellungen hergestellte
freie Rekonstruktion. Die mehr
als halblebensgrosse Büste einer
jungen Frau mit seitwärts geneig-
tem Haupt und klagendem Aus-
druck giebt sich als der frei be-
handelte Büstenausschnitt einer
antiken Gewandfigur zu erkennen, als deren Ver-
fertiger durch den Vergleich mit dem bezeichneten
Relief in der Kapelle des Santo zu Padua sich der
Venezianer Antonio Lombardi feststellen lässt. Von
dieser Büste kommen mehrere Wiederholungen vor;
eine derselben, im Museum zu Modena, hat ein
Gegenstück, von dem mir ein anderes Exemplar
nicht bekannt ist.

Die Verehrung der Antike, der Genuss und das
Studium derselben standen in der Renaissance so
hoch, dass nicht nur die ganz humanistisch gebilde-
ten Kunstmäcene und Kunstfreunde dahin drängten,
sondern ebenso die meisten Künstler selbst ihre

höchste Freude darin fanden, da, wo sie keine
Originale hatten, nach litterarischen Ueberliefe-
rungen die Antike gewissermassen neu zu schaffen
und die eigenen Schöpfungen womöglich mit an-
tikem Geiste zu durchdringen. Die Mehrzahl der
Bronzestatuetten wie der Plaketten sind aus diesem
Streben hervorgegangen, sind
mit diesem Geiste erfüllt. Sie
geben den künstlerischen Sinn
der Zeit freier und mannig-
facher wieder, als die gleich-
zeitigen Marmor- und Stein-
arbeiten, da diese der grossen
Mehrzahl nach für die Kirche
als Schmuck und Andachtsgegen-
stände entstanden. Ganz beson-
ders hat der männlich herbe Sinn
des Quattrocento hier einen ganz
eigenen reichen Ausdruck ge-
funden. Die Darstellung des
menschlichen Körpers, zu der
die kirchliche Kunst nur aus-
nahmsweise oder in beschränk-
tem Masse (am meisten in der
Wiedergabe des Kinderkörpers)
Gelegenheit bot, konnte hier
voll zur Geltung kommen, ja sie
wurde recht eigentlich die Auf-
gabe der kleinen Bronzeplastik.
Die Vorliebe für die Darstellung
des männlichen Körpers, die
grosse keusche Art, wie derselbe
aufgefasst und bei dem strengen
Naturalismus doch schlicht und
breit behandelt ist, charakterisiert
die Frührenaissance, während
die Bevorzugung des weiblichen
Körpers, das Streben nach
Rundung und Weichheit, die
Vollendung in der Durchführung der Oberfläche
für die Hochrenaissance bezeichnend sind, Eigen-
schaften, die im Barock sich mit dem Streben nach
reicher und mannigfaltiger Bewegung verbinden und
zu einer schlankeren, aber zugleich oberflächlicheren
Auffassung der Formen führen.

Der Naturalismus der Renaissance fand in der
Bronzekleinkunst auch die ihm sonst in der Plastik
fast versagte Gelegenheit zu genreartigen Darstel-
lungen; vor allem, bei der Vorliebe, alles in antikes
Gewand zu kleiden und der Antike nachzubilden,
durch die Wahl genreartiger Gestalten aus der My-
thologie. Die Faune, Nymphen, Tritonen und

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