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Du mit deinen bleichen Blüten

im geschmückten Mädchenhaar,

deine weichen Wangen glühten

wohl im ersten Sommerjahr.

Deine schmalen Lippen kranken,

und dein Blick ist todesmild;

bete du nicht zu jenem blanken

strotzenden Marienbild!

Glaube du an die eigne Grösse

deiner keuschesten Natur,

die so rein in ihrer Blosse,

glaub an dich, du Jungfrau nur.

Glaub an dich!

Doch sie hebt den kranken

müden Blick zum Bilde hin;
ihre zitternden Knie wanken
vor der Himmelskönigin.
Ihre bleichen Blüten klagen
einen stummen Lauscher an . . .
Und Ich fühle die Pulse schlagen;
meine Seele muss es tragen,
meine Seele klagt sie an.

Droben in der Sonne lächelt
strotzend das Marienbild.

Wie der Maiwind mich umfächelt! . ..
Meine Schmerzen werden wild;
meine Schmerzen wollen schreien
wie aus schwarzer Todesgruft.
Doch die Sonne lächelt im Maien . . .
und die lauten Litaneien
wandeln in die blaue Luft:
Heilige Maria, Mutter Gottes,
bitt für uns . . .

Die Glocken klagen . . .
Meine Pulse gehn und schlagen;
meine Seele fühlt sich schuldig.
Oh diese Erde ist geduldig,
und sie trägt so viele wunde Füsse;
und sie stärkt den Pilger, dass er büsse,
bis zu seiner reinen Wiederkehr.

Aus der Ferne schaut dein Bildnis her,
Jungfrau du, von deinem Er den thron.
Du mit deinem wunden Herzen, —
Zu dem Throne deiner Schmerzen
pilgert meine Seelenprozession.

Und die Glocken läuten leise
eine alte Trauerweise . . .

€ 3°i D

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