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KOTY
MEDAILLE AUF DEN HUNDERTJÄHRIGEN GEBURTSTAG CHEVREULS

DIE WIEDERERWECKUNG DER MEDAILLE

EINE ANTWORT AUF VIELERLEI FRAGEN
VON

AFRED LICHTWARK

rast jeder, der in Deutschland die Medaillen Rotys und Chaplains zu Gesicht bekommt,
pflegt nach dem ersten Ausbruch der Bewunderung zu fragen: wie entstehen diese Arbeiten?

Da ich fast alle französischen Medailleure nach ihrer Methode gefragt habe, kann ich die
Auskunft geben, dass ein erprobter Arbeitsweg im Ganzen konsequent inne gehalten wird, wenn
auch in Nebensachen jeder seine besonderen Gewohnheiten hat.

Wer die feste Methode ausgebildet hat, lässt sich schwerlich noch sagen. Wohl kaum ein
einzelner. Einiges mag Tradition der französischen Medailleurwerkstätten sein, die logische Durch-
bildung dürfte Ponscarme und seinen nächsten Nachfolgern gehören.

Der oberste Grundsatz bleibt: keine Arbeit wegwerfen. Es kann bei den Franzosen
im Prinzip gar nicht vorkommen, dass ein fertig gestelltes Modell, in dem die Arbeit von
Monaten steckt, aufzugeben wird. Dies günstige Resultat ergiebt sich aus der überaus sorgsamen,
umsichtigen Behandlung der Vorarbeiten.

Zu Anfang schreiten die französischen Medailleure nur ganz langsam und prüfend vor,
damit sie in dem Augenblick, wo sie sich auf falscher Fährte sehen, umkehren und von vorn
beginnen können. Die künstlerische Ausarbeitung beginnt erst, wenn das Ziel klar und bestimmt
vor ihnen steht.

Das erste Stadium ist reine Gedankenarbeit. Hier scheint Ponscarmes seltene Bildung und
philosophischer Geist die Methode bestimmt zu haben, indem er auf eine allseitige Untersuchung
der Aufgabe drängte. Je nach ihrem Charakter und dem Charakter des Künstlers wird sie von der
historischen, philosophischen oder intimen Seite gepackt.

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