geäderte Blattmotiv? Wieviel anmutig geordnete
Blumens träusse brachte mandemGatten,demFreunde
vom Felde, an denen er verfeinerten Geschmack
und geschmeidige Hände erkannte, die Knospen und
Zweige wohl ebenso künstlerisch über ein spitzen-
umsäumtes Deckchen streuen könnten, wie man
es hier auf einer anderen Arbeit unseres Künstlers
erblickt.
IV.
DOCH NOCH Schöneres können wir zeigen! —
Ein kleines, dreieckiges Kissen halte ich hier.
Auf zart-bräunlichem Atlas schimmern perlmutter-
artig mattgerötete, grosse, fremde Blüten, ein grauer
Pelzbesatz ist gleich einem sanften Hauche um
die Ränder geschlungen. Es scheint ein Sinnbild
der kaum erwachten Morgenröte, des zaghaften
Jubels einer jungen Liebe. — Ein anderes Kissen
mit grünem Grunde zeigt einen weissen Wirbel
aus den Sonnenfäden einer Schlingpflanze: der
unendlich feine Stern scheint im Wirbel nieder-
zusinken wie eine ungeheure Schneeflocke: Symbol
eines grossen Schlafes, der herniederkommt und
die Samen für ein thätiges Erwachen in sich trägt.
Wir wollen jedoch nichts in die Gebilde „hinein-
geheimnissen." Genug, wenn wir durch eine
poetische Anspielung an das seelische Entstehen
derselben erinnerten, das dem dichterischen Schaffen
ja so innig verwandt ist. Diese Stickereien wollen
nichts „bedeuten," nichts sagen: sie, die Haus-
genossen vornehmer Menschen, bei denen man
nicht laut wird und nicht nach Art geringer Leute
von den Dingen umständlich berichtet.
Hier eine Wanddekoration. Wie die jähen,
gewaltsamen Windungen der Schnur beim knallen
eines Peitschenhiebes erscheint uns diese rasende
Bewegung. Bald dünkt sie uns ein Abbild der
plötzlichen, gewaltsamen Elemente: ein Blitz, —
bald der trotzige Namenszug eines grossen Mannes,
eines Eroberers, eines Geistes, der durch neue
Urkunden, neue Gesetze gebietet. — Und hier
ein Kissen: eine blühende Wiese, auf der die
frischen Blütensterne in Scharen zur Sonne empor-
blicken. Wie fröhlich und wie schmuck, wie
köstlich und doch wie schlicht, wie üppig und
wie milde! — Freie Schöpferkraft! Da ist nichts
„abgebildet,'- da sind keine Farbenflecken gewissen-
haft gehäuft — was der Sticker dem impressionis-
tischen Maler doch nicht nachmachen kann —
hier ist das Ausdrucksvollste herausgefunden und
so angeordnet, dass die goldne Harmonie der Natur
darin enthalten ist, welche frei und spielend aus
der willkürlichsten Unregelmässigkeit hervorzugehen
scheint. Wo sind die banalen, schematischen
Blumenbouquets, an denen unsere Damen ihre
Nadelmalerei verschwenden? Hier scheint kein
Wert auf den anderen berechnet, hier scheint
alles frisches, ungebändigtes Wachstum und dennoch
ruhige, hohe Harmonie. Welche Naivetät im
Stilisieren der kleinen Wiesenblumen, die uns wie
harmlose Kinderaugen lieblich, fein und keusch
entgegenlächeln als ob es gar nicht anders sein
könne: „Rosmarin-, Gelbveiglein - Weis'!" Die
Sonne — auch eine Blume, eine grosse, grosse,
goldne Blume, die alle die Kleinen verehren! O
dieser Märchenerzähler, was wir ihm nicht alles
glauben müssen! — Das gleiche Motiv—Wiesenplan
im Sonnenschein — auf einer Schürze. Glückliche
(T 324 ö
Blumens träusse brachte mandemGatten,demFreunde
vom Felde, an denen er verfeinerten Geschmack
und geschmeidige Hände erkannte, die Knospen und
Zweige wohl ebenso künstlerisch über ein spitzen-
umsäumtes Deckchen streuen könnten, wie man
es hier auf einer anderen Arbeit unseres Künstlers
erblickt.
IV.
DOCH NOCH Schöneres können wir zeigen! —
Ein kleines, dreieckiges Kissen halte ich hier.
Auf zart-bräunlichem Atlas schimmern perlmutter-
artig mattgerötete, grosse, fremde Blüten, ein grauer
Pelzbesatz ist gleich einem sanften Hauche um
die Ränder geschlungen. Es scheint ein Sinnbild
der kaum erwachten Morgenröte, des zaghaften
Jubels einer jungen Liebe. — Ein anderes Kissen
mit grünem Grunde zeigt einen weissen Wirbel
aus den Sonnenfäden einer Schlingpflanze: der
unendlich feine Stern scheint im Wirbel nieder-
zusinken wie eine ungeheure Schneeflocke: Symbol
eines grossen Schlafes, der herniederkommt und
die Samen für ein thätiges Erwachen in sich trägt.
Wir wollen jedoch nichts in die Gebilde „hinein-
geheimnissen." Genug, wenn wir durch eine
poetische Anspielung an das seelische Entstehen
derselben erinnerten, das dem dichterischen Schaffen
ja so innig verwandt ist. Diese Stickereien wollen
nichts „bedeuten," nichts sagen: sie, die Haus-
genossen vornehmer Menschen, bei denen man
nicht laut wird und nicht nach Art geringer Leute
von den Dingen umständlich berichtet.
Hier eine Wanddekoration. Wie die jähen,
gewaltsamen Windungen der Schnur beim knallen
eines Peitschenhiebes erscheint uns diese rasende
Bewegung. Bald dünkt sie uns ein Abbild der
plötzlichen, gewaltsamen Elemente: ein Blitz, —
bald der trotzige Namenszug eines grossen Mannes,
eines Eroberers, eines Geistes, der durch neue
Urkunden, neue Gesetze gebietet. — Und hier
ein Kissen: eine blühende Wiese, auf der die
frischen Blütensterne in Scharen zur Sonne empor-
blicken. Wie fröhlich und wie schmuck, wie
köstlich und doch wie schlicht, wie üppig und
wie milde! — Freie Schöpferkraft! Da ist nichts
„abgebildet,'- da sind keine Farbenflecken gewissen-
haft gehäuft — was der Sticker dem impressionis-
tischen Maler doch nicht nachmachen kann —
hier ist das Ausdrucksvollste herausgefunden und
so angeordnet, dass die goldne Harmonie der Natur
darin enthalten ist, welche frei und spielend aus
der willkürlichsten Unregelmässigkeit hervorzugehen
scheint. Wo sind die banalen, schematischen
Blumenbouquets, an denen unsere Damen ihre
Nadelmalerei verschwenden? Hier scheint kein
Wert auf den anderen berechnet, hier scheint
alles frisches, ungebändigtes Wachstum und dennoch
ruhige, hohe Harmonie. Welche Naivetät im
Stilisieren der kleinen Wiesenblumen, die uns wie
harmlose Kinderaugen lieblich, fein und keusch
entgegenlächeln als ob es gar nicht anders sein
könne: „Rosmarin-, Gelbveiglein - Weis'!" Die
Sonne — auch eine Blume, eine grosse, grosse,
goldne Blume, die alle die Kleinen verehren! O
dieser Märchenerzähler, was wir ihm nicht alles
glauben müssen! — Das gleiche Motiv—Wiesenplan
im Sonnenschein — auf einer Schürze. Glückliche
(T 324 ö