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der Frau hinter der Rolle verschwindet, der Daumcn aber in widernatürlicher
Weise nach vorn greift. Völlig mißraten in den Proportionen, in der Körper-
form und Bewegung ist der Mann, der einen Mantel über die linke Schulter ge-
schlagen hat. Als Vorbild für die Berliner Fälschung mag ein Grabrelief des
4. Jahrhunderts aus dem Museo Baracco in Rom gedient haben, auf dem die Ver-
storbene dem Manne die Hand reicht. Dieses handwerkliche Relief ist sicher zu
Unrecht selbst in den Verdacht gekommen, gefälscht zu sein80, was aber höch-
stens für die wahrscheinlich nachträglich eingegrabene Inschrift zutrifft.

Abb. 37

„Griechisches“

Grabrelief

Der größte Kunstraub nnd seine Folgen

D ie griechische Kunstgeschichte ist nicht nur reich an zahllosen anonymen
Werken der Architektur, Plastik und Malerei, sondern auch an solchen berühm-
ter Künstlerpersönlichkeiten, deren Namen und Schöpfungen uns durch In-
schriften und antike Schriftsteller überliefert worden sind. Ein Name aber über-
strahlt alle, selbst den gefeierten Schöpfer der knidischen Aphrodite oder den
Maler des Kampfes um Troja; er bezeichnet denjenigen Künstler, der bereits
den Alten als Vollender bildmäßiger Gestaltung erschienen ist - Phidias. Ihm
schrieb man die großen Goldelfenbeinbilder der Athena Parthenos auf der Akro-
polis in Athen und den Zeus von Olympia zu, die als Inkarnation göttlidier
Würde und Hoheit gegolten haben. Aber nichts ist uns erhalten von jenen ge-
priesenen Werken als armselige spätere Nachbildungen; die Originale sind den
Zeitwirren, der Habgier und dem Unverstand zum Opfer gefallen. So haben
wir gar nichts, was uns eine Vorstellung von der Kunst des Phidias geben könnte?
O doch. Phidias war der künstlerische Leiter des gewaltigen Skulpturenschmuckes,
der in den Giebeln, auf dem Fries und den Metopen des Tempels der jungfräu-
lichen Athena angebracht war. Man sollte meinen, daß man voller Freude und
Dankbarkeit diese Bildwerke aus dem engsten Sdiüler- und Gehilfenkreis des
großen Kiinstlers aufgenommen und gefeiert hätte. Aber bis zum Beginn des
19. Jahrhunderts geschah nichts, um die Reliefs am Athenatempel in Athen zu
schützen. wo durdi Explosionen und Bombardierungen bereits ein großer Teil
vernichtet worden war. Auch der Rest wäre unter der Herrschaft der Türken
wohl noch vollends zugrunde gegangen, wenn nicht der britische Gesandte in
Konstantinopel, der erst dreiunddreißigjährige Lord Elgin, seinen Einfluß auf die

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