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urteilt. Schon vor der Bundesratsverordnung hatte 1899 Hessen
eine, wenn sie allgemein nachgeahmt worden wäre, für die Lohn-
bewegung der Kellnerinnen sehr wichtige Verordnung erlassen.
Es sollte nach ihr einem Wirte, der seinen Kellerinnen keinen
Lohn bezahle, die Konzession entzogen werden.
Während nun die Kellner in der ganzen Zeit äußerst tätig
waren zur Besserstellung ihres Standes, haben die Kellnerinnen
fast gar nichts in dieser Hinsicht getan. — So dachte man erst
1900 in München an die Gründung einer Organisation. Eins ihrer
Hauptziele war die Beseitigung der Ausnützung der Arbeitskraft
und die soziale Hebung des Standes. Als Mittel dazu verlangte
sie eine gesetzliche Regelung der Ruhezeit, Schlafzeit, Arbeits-
und Kündigungsfrist, die Unterstützung kranker und stellenloser
Kellnerinnen, Abschaffung der privaten Stellenvermittler und kosten-
lose Stellenvermittlung und schließlich noch die Schaffung einer
Zentralstelle zur Beobachtung des Arbeitsmarktes. Klar ausge-
sprochen und ergänzt sind die Forderungen der Organisation in
der am Ende des Jahres 1900 an den Reichstag gerichteten Pe-
tition. Es wurde verlangt:
1. Es ist eine tägliche ununterbrochene Mindestruhezeit von 10 Stunden fest-
zusetzen.
2. Jeden zweiten Sonntag ist Gelegenheit zum Besuch des Gottesdienstes
zu geben.
3. In jeder Woche ist ein voller Ruhetag von 24 Stunden zu gewähren und
zwar von einem Morgen bis zu dem andern. Die Aushilfe hat der Wirt zu bezahlen.
4. Jede Kellnerin hat eine zweijährige Lehrzeit zu leisten (als Biermädchen
u. s. w.). Für den Lehrvertrag gelten die Bestimmungen der Gewerbeordnung.
In der Lehrzeit hat das Wasser- oder Biermädchen, wo Fortbildungsschulzwang
eingeführt ist, die Fortbildungsschule zu besuchen.
5. Mädchen unter 16 Jahren dürfen im Wirtsgewerbe überhaupt nicht be-
schäftigt werden.
6. Mädchen von 16 bis 18 Jahren dürfen nicht länger als bis 10 Uhr abends
und nicht vor 6 Uhr morgens beschäftigt werden.
7. Die Ueberschreitung der gesetzlichen Arbeitszeit ist an höchstens 30 Tagen
im Jahre zulässig.
8. Der Verein bittet den Reichstag um Ausdehnung der Gewerbeinspektion
auf das Wirtsgewerbe.
Ein Teil dieser Forderungen fand dann später in der Ver-
ordnung des Bundesrats von 1902 seine Verwirklichung. Der
Verein, der in München eine ziemliche Verbreitung vor allem unter
den Aushiflskellnerinnen, die ja am meisten unter den schlechten
 
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